Sicherer Auto fahren mit computerunterstützter Blicklenkung

BlicklenkungEBWer hätte sich nicht schon einmal gewünscht, mehr als zwei Augen und am besten gleich ein Rundum-Gesichtsfeld zu haben? Beim Autofahren in Lübeck zum Beispiel, wenn man in letzter Sekunde den im Dunkeln ohne Licht in den Lindenteller hineinrasenden Radfahrer mehr ahnt als sieht und gerade noch bremsen kann. Forscher am Institut für Neuro- und Bioinformatik der hiesigen Universität arbeiten daran, es Autofahrern leichter zu machen, mehr wahrzunehmen, als die „natürlichen“ visuellen Systeme Auge und Gehirn zunächst erlauben. Dieses Forschungsgebiet heißt „Gaze Guidance“, also Blick-Lenkung oder Aufmerksamkeitssteuerung, bezogen auf den für den Menschen so wichtigen visuellen Sinn.

Erhardt Barth, stellvertretender Direktor des Instituts, erklärt den theoretischen Ausgangspunkt seiner Arbeit so: „Das Gehirn konstruiert in jedem Augenblick eine bestimmte eigene Wirklichkeit. Die ist natürlich nur ein kleiner Ausschnitt einer anzunehmenden objektiven Gesamtwirklichkeit.“ Im Falle des Sehens, sagt Barth, nähmen wir stets nur wahr, was sich gemäß unserer Erfahrung oder im Rahmen einer bewussten Fokussierung im Augenblick als für uns relevant erweist. Vor lauter Fokussierung kann es schon mal vorkommen, dass man als Film-Zuschauer in einem berühmten Wahrnehmungsexperiment den Mann im Gorilla-Kostüm regelrecht „übersieht“, der da zwischen den Basketball-Spielern durchs Bild läuft, deren Würfe man zählen soll. (Link zum Film: http://www.youtube.com/watch?v=vJG698U2Mvo)

Zum Glück ist es laut Barth aber inzwischen möglich, den Seh-Sinn mit technischen Hilfsmitteln zu erweitern und zu trainieren. „Die Neuroinformatiker verstehen inzwischen ganz gut, wie neuronale Netze Muster bilden und so unsere Wahrnehmung erzeugen. Wir Ingenieure kommen auf dieser Basis langsam dahin, Systeme bauen und programmieren zu können, die das Gehirn des Menschen unmittelbar-unbewusst anzusprechen vermögen und ihm so dabei helfen, den schmalen bewusst wahrgenommenen Ausschnitt der Wirklichkeit technisch zu verbreitern. Das geschieht auf der unbewussten Ebene, ohne dabei die normal-bewusste Wahrnehmung zu stören“, erläutert der 54-jährige Professor. Im Beispiel des vom wilden Radfahrer überraschten Autofahrers am Lindenteller wäre es inzwischen wohl möglich, dem von einer Innenkamera überwachten Fahrer-Blick hilfreiche Informationen aus dem Blickfeld einer oder mehrerer Außenkameras unauffällig hinzuzufügen. Wenn der Bordcomputer den Radfahrer als Gefahr erkannt hat, kann er zum Beispiel eine kleine Leuchtdiode am Armaturenbrett aufblitzen lassen, die den Blick des Fahrers unbewusst so lenkt, dass er den Radler nun doch wahrnehmen kann.

Von einem solchen System baut ein großer deutscher PKW-Hersteller gerade einen Prototypen. Mit einem solchen neurovisuellen Assistenzsystem käme es gar nicht erst zum Stress-Bremsen am Lindenteller – und insgesamt zu weniger Unfällen. So jedenfalls die Vorstellung der Informatiker, die weiter an Systemen einer „augmented vision“ (eines angereicherten Sehens) arbeiten. Auf einem Auto-Simulator hat Barths Team mit Situationen wie im Bild oben bereits überzeugende Versuchsergebnisse erzielt: Die mit dem „augmented vision“-Unterstützungssystem fahrenden Probanden bauen hier deutlich weniger simulierte Unfälle als die ungestützte Kontrollgruppe.

Auf der Basis der in den vergangenen Jahren gewonnenen Erkenntnisse entwickeln die Lübecker Forscher nun auch Trainingsmaschinen etwa für wahrnehmungskritische Berufe wie Fluglotsen. Eine andere sich abzeichnende Anwendung ist eine Leseunterstützungstechnik für Legastheniker, deren Hauptproblem ihre abgelenkte Aufmerksamkeit ist. Wie beim Autofahren geht es hier darum, eine optimale Fokussierung der Aufmerksamkeit zu unterstützen.

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Wer ist Rolling Jack? – Ein Offshore-Held aus Lübeck

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Über der Nordsee weht der Wind oft ziemlich kräftig, insbesondere weiter draußen, auf hoher See. Dort drehen sich seit Jahren schon die Flügel von Windkraftanlagen. Die meisten davon werden von englischer und niederländischer Seite betrieben. Aber auch auf deutschem Gebiet sind inzwischen Offshore-Anlagen mit zusammen über 500 Megawatt Leistung in Betrieb. Die Bundesregierung zielt auf 25000 Megawatt bis 2030 und erteilt entsprechende Genehmigungen. Hier tut sich ein großer Zukunftsmarkt auf, nicht nur für die Hersteller der Anlagen, sondern auch für die Reedereien, die kleine, schnelle Serviceschiffe verchartern, mit denen die Wartungstechniker zu den Anlagen transportiert werden.
Eine Innovation aus Lübeck sorgt zukünftig dafür, dass die Sicherheit der Wartungscrew beim Andocken und Übersetzen auch bei rauem Nordseewellengang deutlich erhöht wird. Der neue Offshore-Wartungshelfer heißt „Rolling Jack“. Es handelt sich um eine vollautomatisch, stabilisierte Zugangs- und Arbeitsplattform aus Kohlefasern am Heck einer neuen Generation von Servicebooten. Der Kern des „Rolling-Jack“ besteht jedoch in einem ausgeklügeltem Zusammenspiel der hydraulischen Aktuatoren und der elektronischen Lageregelung, gesteuert von mehreren Industrierechnern . Mehrfach redundante Sätze von Kreisel- und Beschleunigungssensoren und den entsprechenden Lagerückmeldern ermöglichen es, bis zu drei Meter hohe Wellen so auszugleichen, dass die Service-Techniker ohne bedrohliche Kletter-Improvisationen auf die Außenleiter am Anlagenturm gelangen können und auch Werkzeug und Ersatzteile nicht auf Nimmerwiedersehen in den Fluten versinken.
„Mit einem passenden Serviceboot wird das ein richtig interessantes Gesamtsystem“, erklärt Stefan Schulz, der geschäftsführende Gesellschafter der Lübecker Baltec Ship Design GmbH. Eine weitere Innovation ist die Entwicklung eines neuartigen, aus dem Flugzeugbau adaptierten Leichtbaumaterials aus faserverstärktem Kunststoff , das er für den Bau von Schiffen adaptiert hat. „Nach zehn Jahren harter Arbeit fahren jetzt die ersten unserer Leichtbau-Serviceschiffe mit halbiertem Gewicht und halbiertem Brennstoffverbrauch als vergleichbare Aluminium-Boote. “
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Einfach einen „Tic“ anders: Tourette-Forschung in Lübeck

Sinfoniekonzert K 104 des SHMF in Luebeck

http://www.youtube.com/watch?v=dnqgVTq5a-U&feature=youtu.be

Vom „Tourette-Syndrom“ haben Sie vielleicht schon einmal gehört – oder in US-amerikanischen Fernsehserien Schauspieler erlebt, die motorische und verbale „Tics“ so überzeugend spielen, dass man ihre Figuren nicht vergisst. Aber Tourette ist in der Wirklichkeit nicht ganz so unterhaltsam, sondern für die Betroffenen häufig ein ernstes, insbesondere soziales Problem. An der Lübecker Universität gibt es seit Kurzem eine Arbeitsgruppe, die sich dieser Krankheit in besonderer Weise annimmt.

Das Tourette-Syndrom ist nach dem französischen Neurologen Georges Gilles de la Tourette (1857 – 1904) benannt. Es handelt sich um eine neuropsychiatrische Störung, die sich in „Tics“ ausdrückt, wobei darunter unkontrollierbares Impulsverhalten in Bewegungen oder Sprache verstanden wird. Sozial besonders auffällig wird das Syndrom zum Beispiel, wenn die Betroffenen in der Öffentlichkeit unflätige Wörter wiederholen, offenbar ohne damit etwas Bestimmtes kommunizieren zu wollen.

„Vieles, was für die von solchen Impulsüberschüssen im Gehirn Betroffenen im praktischen Leben problematisch wird, ist vor allem Feedback-Folge einer gesellschaftlichen Stigmatisierung von Andersheit, an der die Menschen mehr leiden als an ihren einzelnen Tics“, erklärt Professor Alexander Münchau, Leiter der Arbeitsgruppe Bewegungsstörungen und Neuropsychiatrie bei Kindern und Erwachsenen am Institut für Neurogenetik der Uni-Klinik. Ungefähr ein Prozent der (deutschen) Gesamtbevölkerung gelten als betroffen von diesem Syndrom, bei jüngeren Kindern sind es bis zu 20 Prozent. „Wenn der Erwachsene seine aus der Kindheit oder Jugend stammenden Tics nicht ablegt, können wir von einer Reifungs- oder Entwicklungsstörung des Gehirns sprechen“, erläutert Münchau. Auf diese Interpretation der Tourette-Krankheit deuteten auch die vorläufigen Ergebnisse der Lübecker Arbeitsgruppe hin, die aber in umfangreichen Studien über lange Zeiträume erst noch bestätigt werden müssten. „Es wäre schön, wenn wir in einigen Jahren eine Art Standarderklärungsmodell für die Krankheit finden könnten und damit die Biografien vieler Betroffener an verschiedenen Punkten – als Kinder, als Jugendliche, als Erwachsene – auf einen guten Weg bringen könnten, sei es mit Beratung, mit technischer Unterstützung, mit Psychotherapie oder bei stärkeren Problemen auch mit Medikamenten“, beschreibt der Neurologe seine Hoffnungen. Sein Leitbild ist dabei der „denkende Arzt“, wie er im Rückgriff auf den Philosophen Martin Heidegger (1889 – 1976) den individuell-verstehenden und deutenden Partner-Arzt bezeichnet. Auf dieser Basis soll in den kommenden Jahren auch eine Aus- und Fortbildungsakademie für solche „denkenden“ Ärzte und Pflegekräfte weiterentwickelt werden.

Der Ansatz der Forscher ist multiperspektivisch und interdisziplinär: So werden die Patienten unter anderem mit bildgebenden Verfahren untersucht, aber auch mit der Technologie der magnetischen Gehirnstimulation („TMS“ Transkranielle Magnetstimulation) und mit verschiedenen Techniken der psychologischen Verhaltensbeobachtung. Eine vielversprechende Technologie, die aktuell entwickelt wird, ist die datenbankgestützte Mustererkennung. Hier geht es darum, eine Software zu erarbeiten, die in der Lage sein soll, Bewegungen an verschiedenen Körperregionen in der Zeit zu erfassen und mit Bilddaten aus anderen Beobachtungformen (zum Beispiel Ganganalyse, Ultraschall, Infrarot) sinnvoll zu verbinden, sodass ein realistisches Bild des Symptomgeschehens gewonnen werden kann. Und um speziell die Qualität der Daten aus der magnetischen Hirnstimulation zu verbessern, ist für das laufende Jahr eine Kooperation mit dem Institut für Robotik der Universität geplant: Es soll versucht werden, die Stimulationsgeräte deutlich zu miniaturisieren, um dadurch kleinere Gehirnregionen präziser anregen zu können und dabei störende Nebeneffekte des Messens möglichst zu eliminieren. Hierzu sollen neue, besonders präzise fokussierende Magnetspulen in rascher Geschwindigkeit auf dem Kopf hin und her bewegt werden, um mit hoher zeitlicher Auflösung mehrfach hintereinander über verschiedenen Hirnregionen Magnetpulse setzen zu können, die zu klar erkennbaren Erregungswellen im Gehirn führen. Von diesem Vorgehen erwarten die Forscher ein vertieftes Verständnis des Zusammenspiels verschiedener Hirnzentren, die für die Bewegungskontrolle von Bedeutung sind. Diese neurophysiologischen Ideen zu realisieren und dann womöglich in neue Therapien und Technologieanwendungen sowie Medizinprodukte zu überführen,  erfordert eine enge Kooperation zwischen klinischer Forschung und Medizintechnik, wie sie auf dem Lübecker BioMedTec-Campus besonders gepflegt wird.

(rwe)

Anmerkung:

Auf dem Bild oben sieht man, wie Dr. Tobias Bäumer bei einer Probandin mittels der TMS Messungen der Hirnerregbarkeit vornimmt: Dabei wird die Magnetspule auf den Kopf des Probanden gehalten bzw. über einen Rahmen fixiert. Durch eine Entladung in der Spule wird unter der Spule ein Magnetfeld erzeugt, das dann im Gehirn wiederum zu einer umschriebenen Erregung von Nervenzellen führt. Es werden auch solche Nervenzellen, deren Ausläufer über Nervenbahnen zum Rückenmark ziehen, erregt, wo sie andere Nervenzellen erregen, die über motorische Nervenstränge zu den Muskeln führen. Dort kommt es dann zu sichtbaren oder zu nicht sichtbaren, aber aufzeichenbaren „Mini-Zuckungen“, die den Erregungszustand des Gehirn widerspiegeln.

Das Kochrezept für die Beschichtung der Zukunft

Wochnowski_2  Kommentar

Auf der Suche nach den neuesten Technologien in Lübeck führt uns der Weg heute in die Fachhochschule. Hier hat ein junger Materialforscher eine Möglichkeit gefunden, komplexe Strukturen wie Hohlkörper von innen mit Metallen bei Raumtemperatur zu beschichten. Hierdurch rücken zahlreiche vielversprechende industrielle Anwendungen in praktische Reichweite.

Der Mann, der das neue Abscheidungsverfahren seit seiner Dissertation 2004 entwickelt, heißt Jörn Wochnowski. Er ist seit 2011 Professor für allgemeine und anorganische Chemie im Fachbereich Angewandte Naturwissenschaften der Fachhochschule Lübeck. Der heute 35-jährige Spezialist für chemische Verfahren zum Veredeln von  Oberflächen versteht sich selbst als eine Art Technologiejäger: „Als Experimentalwissenschaftler arbeite ich überwiegend forschend im Labor. Dabei finde ich – wie in diesem Fall – manchmal auch überraschende praktische Lösungen, die theoretisch bisher nicht erklärt werden können. Aber es funktioniert.“

Bisher können komplexe Bauteile unter anderem im Bereich der Informationstechnologie und der medizinischen Diagnostik mit bestimmten, aber sehr interessanten Edelmetallen wie beispielsweise mit Gold, Silber und Platin nicht von innen erfolgreich beschichtet werden. Die Abscheidung dieser Metalle würden sehr hohe Prozesstemperaturen von teilweise deutlich über 2000 Grad Celsius erfordern, sodass die meistens sehr empfindlichen Bauteile in den etablierten Veredlungsprozessen vollständig zerstört werden würden.

Ein Vorzug des neuartigen Beschichtungsverfahrens besteht darin, dass ausgewählte Verbindungen, die diese Metalle beinhalten, schon bei Raumtemperatur verdampft werden können. Schließlich ist Wochnowski Chemiker und „kocht“ sich die geeigneten Verbindungen selber. Durch die Verwendung von ausgewählten Lichtquellen können diese sehr speziellen chemischen Verbindungen im sogenannten kalten Verfahren in die industriell interessanten Hohlkörper eingebracht werden, ohne diese zu zerstören. Mittlerweile hat das Team die zahlreichen technologischen Herausforderungen im Griff und erste nanoskalige Hochleistungsbeschichtungen entwickelt.

„Wir haben bereits ein kontrollierbares Verfahren im Labor, das so einfach ist, dass es mit geringem Aufwand und ohne besondere Sicherheitsvorkehrungen bei Raumtemperatur durchgeführt werden kann“, erläutert der Chemiker den Stand seiner Technologie. „Jetzt geht es darum, aus den bereits erteilten Patenten für das Verfahren direkt markt-, also produktionsreife Anwendungen zu entwickeln, die von der Industrie in ihre Geräte oder Produktionsverfahren implementiert werden können.“ Die Ausgründung einer eigenen Firma hierfür ist ebenfalls bereits in Aussicht genommen. Dafür wird gerade ein EXIST-Forschungstransfer-Projekt mit Unterstützung aus dem GründerCube auf dem BioMedTec-Campus vorbereitet.

(rwe)

Im Namen der Schönheit

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Eine kleine Truppe von Laser-Spezialisten hat sich aufgemacht, von Lübeck aus die Länder Süd- und Ostasiens mit ihren Geräten für kosmetisches Lasern zu beliefern.

„Hypertech Laser Systems“ (HLS) heißt die Firma, die Fedor Mayorov 2009 gegründet hat. Der gebürtige Russe kam aus dem fernen Novosibirsk über Kassel nach Lübeck, in „die deutsche Hauptstadt der medizinischen Laser-Entwicklung“, wie der promovierte Physiker Lübeck liebevoll nennt. Am Medizinischen Laserzentrum der Universität war er bis 2009 in einem Industrieprojekt mit der Entwicklung von kosmetischen Lasergeräten der neuesten Generation beschäftigt. Dabei wurde ihm klar, dass seine Berufung darin liegt, „solche Geräte so auszuentwickeln, anzupassen und zu produzieren, dass sie auf dem Markt tatsächlich ein Verkaufserfolg werden können“. Mit HLS hat er sich auf den Weg gemacht, dieser Berufung zu folgen.

Das erste eigene Gerät war schnell fertig: ein kleiner, leicht transportierbarer kosmetischer Laser zum Beispiel zur Entfernung von Tattoos. Die dafür nötige Technologie des „Nd-YAG-Lasers“ (neodymdotierten Yttrium-Aluminium-Granat-Laser) war an sich nicht neu. Aber Mayorov und seinem kleinen Mitarbeiter-Team gelang es, das Gerät aus weltweit eingekauften Standardbauteilen zu montieren, sodass es zugleich technisch besser (insbesondere in Sachen Genauigkeit und Bedienbarkeit) und mindestens 25 Prozent preisgünstiger als konkurrierende Modelle sein konnte. „Das macht immerhin ein paar Zehntausend Euro pro Stück. Und das ist seither auch unsere Business-Strategie“, berichtet der Forscher, der zum Geschäftsmann geworden ist. „Wir finden mithilfe unseres speziellen Laser-Know-hows Lösungen für im Prinzip vorhandene Laser-Technologien, die diese zu realistischen Konditionen produzierbar und damit marktfähig machen. Das Prinzip wenden wir zurzeit auch auf eine andere Technologie an, die unsere russischen Partner schon bis zum Prototypen entwickelt haben: die hochsensitive Laser-Testung auf Gas in verschiedenen Umgebungen.“ Den Abnehmer-Markt dafür kennt Mayorov auch schon, ohne ihn zu diesem Zeitpunkt verraten zu wollen.

Das aktuelle Nachfolgemodell des kosmetischen Start-Produkts von HLS wird vor allem zum „Verschweißen“ von störend-sichtbaren Blutgefäßen etwa im Gesicht oder an den Beinen benutzt. Von diesem Modell kann HLS zurzeit ungefähr jeden Monat zwei Stück im eigenen Produktionslabor im MFC-Gebäude 1 im Hochschulstadtteil montieren – und dann zum Empfänger in Süd- oder Ostasien transportieren. „Dort legen die Menschen tatsächlich mehr Wert auf äußere Schönheit als hierzulande“, erzählt der Geschäftsführer. „In Bangkok beispielsweise gibt es – neben den weltbekannten großen Schönheitskliniken – im Untergeschoss so ziemlich jedes Einkaufszentrums ein Kosmetik-Studio neben dem anderen. Hier wie dort wird auch mit unseren Geräten medizinkosmetisch behandelt.“ Vor allem aber seien die Geschäftspartner in diesen Ländern von den Nutzen- und Kostenvorteilen der Geräte aus Lübeck vergleichsweise leicht zu überzeugen. „Deutsche und Europäer sind immer erst skeptisch, Asiaten probieren aus“, fasst der 37-Jährige seine inzwischen schon erheblichen internationalen Vertriebserfahrungen zusammen. Die größte Hürde auf dem Weg zum Verkauf sind für den überzeugten Lübecker aus Russland stets die Zulassungs- und Zertifizierungsbestimmungen der einzelnen Länder. Aber auch in diesem Bereich hat sich der Physiker inzwischen mit einer fachkompetenten Mitarbeiterin verstärkt, sodass der Eroberung weiterer Märkte im Namen der Schönheit nichts mehr im Wege steht. „Zurzeit arbeiten wir daran, einen Vertriebspartner vor Ort für die arabischen Länder zu finden“, blickt Mayorov optimistisch nach vorn.

(rwe)

Mehr Info:  www.hypertech-lasers.de

Copyright Bild oben: doctare.com

UniTransferPreis 2013: Center for Medical Software and Systems Engineering

Preisträger des Uni-Transferpreises 2013 sind Prof. Dr. Stefan Fischer und Prof. Dr. Martin Leucker mit ihrem Projekt „Center for Medical Software and Systems Engineering“ (CMSSE).

OP-Bild-3OP-Bild-3Das Center for Medical Software and Systems Engineering (CMSSE) ist ein Transferprojekt der Institute für Telematik (Direktor Prof. Dr. Stefan Fischer) und für Softwaretechnik und Programmiersprachen (Direktor Prof. Dr. Martin Leucker) der Universität. Beide Institute haben in den letzten Jahren eine erhebliche Kompetenz im Bereich der sicheren und heterogenen Vernetzung medizintechnischer Geräte in Operationssaal und Klinik aufgebaut. Durch das CMSSE soll dieses Wissen nun professionalisiert in die Wirtschaft transferiert werden.

Das CMSSE wird als wissenschaftsbasierte Unternehmensberatung die medizintechnische Industrie sowie Betreiber von IT-Infrastrukturen im Krankenhaus unterstützen und Vernetzungsprozesse zwischen medizintechnischen Geräten aller Art zu realisieren. Das Marktpotenzial ist hoch, da die offene Vernetzung heterogener medizintechnischer Systeme untereinander und mit Krankenhausinformationssystemen aufgrund der Wettbewerbssituation und des steigenden Kostendrucks bei den Betreibern eine zunehmende Bedeutung erlangen wird.

Mit der Auslobung ihres Transferpreises, der seit 2007 alle zwei Jahre vergeben wird, unterstreicht die Universität die Bedeutung eines intensiven Austausches zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Die namhafte Preissumme von 10.000 Euro wird mit Unterstützung der Unternehmen Drägerwerk, Möller-Wedel, Olympus und Philips sowie der Medisert GmbH ermöglicht.

Die weiteren für den Transferpreis 2013 nominierten Projekte waren (in der alphabetischen Reihenfolge der Projektleiter):

Gestenerkennung basierend auf 3D-Time-of-Flight Kameratechnologie (Prof. Dr. Erhardt Barth, Prof. Dr. Thomas Martinetz, Institut für Neuro- und Bioinformatik der Universität zu Lübeck) Neuartige 3D-Kameras ermöglichen eine robuste Gestenerkennung für eine Vielzahl von Anwendungsbereichen, vom Operationssaal über interaktive Werbung und Spiele bis zur Steuerung von Funktionen im Auto. Dafür benötigte Algorithmen wurden zunächst im Rahmen des von den Projektträgern koordinierten EU-Projekts „Action Recognition and Tracking based on Time-of-Flight Sensors“ (ARTTS) erforscht und im Anschluss durch ein EXIST-Forschungstransferprojekt zu einer Gestentechnologie weiterentwickelt. Es entstanden zwei Patente, ca. 25 Publikationen, vier Promotionen und sieben weitere Ab-schlussarbeiten. Schließlich wurde 2011 die gestigon GmbH gegründet. gestigon wird derzeit durch den High-Tech-Gründerfond und die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Schleswig-Holstein unterstützt, hat mittlerweile weltweit Kunden akquiriert und beschäftigt 14 Entwickler. Mehrere Auszeichnungen, z.B. der Weconomy Award des Handelsblatts, und zahlreiche Medienberichte, z.B. eine Dokumentation im Norddeutschen Rundfunk, zeugen vom hohen öffentlichen Interesse an der Gestentechnologie.

Hochgenaue optische Lokalisierung des Schädelknochens für die kranielle Strahlentherapie (Dr. Floris Ernst u.a., Institut für Robotik und Kognitive Systeme der Universität zu Lübeck) Zurzeit entwickelt eine fünfköpfige Forschergruppe unter Leitung von Dr. Floris Ernst am Institut für Robotik ein neues System zur Positionserkennung in der Strahlentherapie. Dieses Projekt wurde in Kooperation mit Varian Medical Systems, dem weltweit führenden Hersteller von Strahlentherapiegeräten, initiiert und finanziert. Bei dieser weltweit einzigartigen Technik wird ein Infrarot-Laser verwendet, um in Echtzeit direkt die Position des Schädelknochens zu bestimmen. Damit kann für knöcherne Strukturen, die bis zu 15 Millimeter tief unter der Haut liegen, auf Röntgenbildgebung verzichtet werden. Dieses Verfahren wird also den Komfort, die Sicherheit und die Genauigkeit der kraniellen Strahlentherapie wesentlich verbessern und dabei die Strahlenbelastung deutlich reduzieren. Im Laufe des kommenden Jahres wird Varian selbst vier Prototypen des entwickelten Geräts herstellen und klinisch evaluieren.

Etablierung humaner Zellmodelle für Grundlagenforschung und Medikamentenentwicklung (Prof. Dr. Christine Klein u.a., Institut für Klinische und Molekulare Genetik der Universität zu Lübeck und des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Campus Lübeck) Insbesondere bei neurologischen und kardiologischen Erkrankungen ist eine Gewebeentnahme zu Forschungszwecken und zur Medikamententestung beim Menschen nicht möglich. In Lübeck werden seit 2010 induzierte pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen) erfolgreich hergestellt und in unterschiedliche Zielgewebe (z. B. Nervenzellen und Kardiomyozyten) differenziert. Diese Methode kann universell für praktisch jede Krankheit angewendet werden und ist für drei Zielgruppen von hohem Interesse: (1.) Wissenschaftler, die die iPS-Zellen zur Krankheitsmodellierung und damit als humanes Krankheitsmodell nutzen, (2.) Firmen (und Wissenschaftler), die die iPS-Zellen als Modell für Medikamenten-Screening verwenden, und (3.) werden längerfristig Patienten mit degenerativen Erkrankungen von iPS-Zellen profitieren, indem die daraus differenzierten Zellen für regenerative/restaurative Anwendungen eingesetzt werden. Ziel ist es, die in Lübeck bereits etablierte iPS-Technologie für die kommerzielle Anwendung aufzustellen. Hierbei stellen der Zugang zu hervorragend charakterisierten Patienten und deren iPS-Linien, die hohe Qualität der Reprogrammierung und Differenzierung sowie die hervorragende Vernetzung mit akademischen und Industrie-Partnern das Alleinstellungsmerkmal des Projektteams und seiner Ressourcen dar.

Pressemitteilung der Universität zu Lübeck von Montag, dem 16.12.2013

Der Zauberkasten, der die Molekulardiagnostik revolutioniert

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Eine neue Analysemethode vom Lübecker Hochschulcampus macht automatische Schnelltests auf Krankheitserreger schneller, besser und kostengünstiger.

In den Laboren des TZL-Multifunktionscenters auf dem Lübecker Campus kann der Besucher immer mal wieder überraschende Entdeckungen machen. Heute begegnet ihm dort eine Reihe unscheinbarer Blechkästen, die in ihrem Innern eine echte Revolution in der Molekulardiagnostik beherbergen.

Die 2003 gegründete Atto-Lab GmbH besitzt für ihr „Q-MAP“-Verfahren und das zugehörige Analysegerät bereits weltweit über 50 Patente. Das Kürzel steht für „Quantitative Messung attomolarer Präzipitationsverfahren“*. Dahinter verbirgt sich ein Lasermessverfahren von Proteinen in einer immunologischen Reaktion mit extrem sensitivem und dabei minutenschnellem Erreger-Nachweis. „Die Nachweisgrenze sinkt mit dem neuen Testverfahren mindestens um den Faktor 100000 gegenüber den heute üblichen Verfahren zur Detektion von Immunkomplexen in Antigen-Antikörper-Reaktionen“, erklärt Constantin Odefey, Geschäftsführer und Hauptgesellschafter der GmbH – und Entdecker der revolutionären Methode.„Vor einigen Jahren stieß ich eher zufällig auf seltsame Messergebnisse im attomolaren Bereich bei einem eigentlich unspektakulären elektrochemischen Versuch. Als ich die richtige Interpretation für den Überraschungsbefund gefunden hatte, war mir sofort klar, dass wir damit ein höchst sensitives Messverfahren entdeckt hatten, das den üblichen Verfahren wie PCR* oder ELISA* deutlich überlegen ist. So beschloss ich, dafür eine Entwicklungs- und später eine Vertriebsfirma zu gründen, was dank der guten Unterstützung für Gründer hier in Lübeck auch schnell funktionierte.“

Inzwischen ist das Verfahren in jahrelanger Tüftel-Arbeit ausentwickelt und das zugehörige Messgerät so weit vereinfacht und miniaturisiert worden, dass dem Einsatz in der Klinik- und Forschungspraxis nichts mehr im Wege steht. Sogar ein automatischer Probensammler für Reihenuntersuchungen steht zur Verfügung. Der 49-Jährige Proteinkristallograph Odefey braucht heute zum Beispiel nur noch wenige Tropfen Blut eines lebenden Rinds, um das Tier sicher auf den BSE-Erreger zu testen – ganz ohne tagelange Anzüchtung und komplexe Untersuchung von Laborkulturen und damit um ein Vielfaches günstiger als bisher gewohnt. Mit dem Q-MAP-Verfahren und -Gerät ist der Weg frei hin zu einer bezahlbaren Präventivdiagnostik im molekularen Bereich. Das gilt für alle Krankheiten, die überhaupt mit Antikörper-Tests nachgewiesen werden können, darunter auch verschiedene Formen der Demenz wie die Alzheimer-Krankheit.

Da bei diesem Verfahren die sichere Analyse aus nur wenigen Molekülen in Minutenschnelle geschieht, bietet es sich auch für unter Kostendruck stehende Kliniken an – etwa wenn es darum geht, die gefährlichen multiresistenten Krankenhaus-Keime (MRSA*) zu bekämpfen. „Denkbar ist zum Beispiel so etwas wie eine Luftschleuse im Eingangsbereich eines Krankenhauses. Wir könnten mit Q-MAP direkt aus der Atemluft der eintretenden Menschen auf die Keime detektieren – und gegebenenfalls sofort Alarm auslösen. Auf diese Weise kämen die schwer zu bekämpfenden Keime gar nicht erst in die Klinik hinein“, beschreibt Odefey eine seiner aktuellen Visionen, deren Ausarbeitung und Testung er in einem neuen Förderprojekt des Landes Schleswig-Holstein betreibt.

Die ersten 50 Kleinserien-Geräte in Würfelform (rund 30 x 30 x 30 cm) zur Realisierung solcher Visionen werden im Lübecker Labor manuell gefertigt. Sie werden als Kauf- oder Leihgeräte interessierten Kliniken für eigene Praxis-Tests zur Verfügung gestellt. „Wir bieten eine integrierte Technologie-Plattform“, erläutert Odefey. „Zu den Geräten liefern wir die nötigen Reagenzien und eine Prepaid-Card wie beim Handy. Nur das hier die Test-Anzahl aufgebucht und von uns abgerechnet wird.“

Das klingt doch alles, als hätte es Hand und Fuß. Die Technologie-Blog-Community wird den Weg dieses vielversprechenden Start-ups aufmerksam verfolgen.

(rwe)

* Erläuterung einiger Fachbegriffe/Kürzel:

Quantitative Messung attomolarer Präzipitationsverfahren: Es ist möglich, im attomolaren Bereich (das heißt bei einer extrem geringen Konzentration von 10-18 mol/dm3) exakt zu messen, ob der gesuchte Antikörper vorhanden ist. Es handelt sich chemisch um eine „Fällung“ (Präzipitation).

PCR: Polymerase Chain Reaction (Polymerase-Kettenreaktion), eine Methode zur Vervielfältigung der DNA in vitro

ELISA: Enzyme Linked Immunosorbent Assay, ein antikörperbasiertes Nachweisverfahren, das auf Enzymbindung fußt

MRSA: methicillin-resistenter Staphylococcus aureus (bzw. multi-resistenter Staphylococcus aureus), ein Bakterienstamm, der gegen alle bekannten Antibiotika resistent und entsprechend gefährlich ist

Mehr Info: www.atto-lab.com

 

Zukunftsaufgabe Energie-Speicher-Management

Hier ist die heutige Blog-Rätselfrage: Was haben ein Routenplaner speziell für Elektro-Autos und das Energiespeichersystem eines Plus-Energie-Hauses gemeinsam?

Die Lösung des Rätsels ist einfach: Beide Systeme können nur effektiv und effizient arbeiten, wenn die Überwachung der Speichereinheiten (Batterien) gut funktioniert und man daher mit der gespeicherten Energie gut planen kann. Dabei fallen riesige Datenmengen an, die sinnvoll verarbeitet werden müssen, um aus ihnen geeignete Rückschlüsse für die Optimierung des jeweiligen Systems zu ziehen.

Diese einfach klingende Lösung  ist allerdings ein ziemlich komplexer Auftrag für die Leute, die solche Überwachungs- und Optimierungssysteme entwickeln. An der Lübecker Universität tüfteln daran seit 2009 die Software-Spezialisten am Institut für Software-Engineering und Programmiersprachen (ISP).

Das Routenplanungssystem speziell für E-Autos, das die Lübecker entwickeln, trägt den bezeichnenden Namen „Green Nav“ (Grüne Navigation). In diesem Projekt gilt es, möglichst genaue Reichweitenprognosen für bestimmte Fahrzeuge auf bestimmten gefahrenen Wegen zu machen.

Die Batterien sind ja nach wie vor der Engpass des Systems E-Auto. Aber es ist möglich, die Reichweite zu erhöhen, wenn man die gefahrene Strecke so plant, dass es zum Beispiel immer mal wieder bergab geht, denn dann werden die Batterien wieder geladen. Wenn es hingegen ständig bergauf geht, wird nur Strom verbraucht und die Reichweite verringert sich deutlich.

Die Routenplanungssoftware hat hier also viele Parameter zu berücksichtigen, vor allem die Eigenschaften des einzelnen Fahrzeugs mit seinem speziellen Batterie-System, die Höhenprofile möglicher Strecken und natürlich die überhaupt möglichen Wege. Das Kartenmaterial hierfür kommt aus dem Internet-Projekt Open-Street-Map. Die speziellen Algorithmen zur schnellen Auswertung der vielen anfallenden Daten haben die Lübecker Software-Ingenieure entwickelt.

Das System funktioniert im Labortest bereits für eine Handvoll Fahrzeug-Typen und für einige Strecken im Allgäu und in Norddeutschland. „Mittelfristig wollen wir nicht nur Deutschland im Routenplaner abdecken, sondern das System auch um die Möglichkeit des Flotten-Managements bis hin zum Umdirigieren von Fahrzeugen während der Fahrt erweitern“, erläutert Martin Leucker, Direktor des ISP und Erfinder der zugrundeliegenden Algorithmen, die nächsten Ziele.

Parallel dazu arbeitet Leucker mit seinem Team – und natürlich seinen Algorithmen – daran, die Speicherschränke von Plus-Energie-Häusern zu überwachen. In einem von der Energie- und Klimastiftung Schleswig-Holstein geförderten Projekt gemeinsam mit dem Batterie-Hersteller ECC Repenning aus Geesthacht arbeiten die Software-Forscher hier mit noch größeren Datenmengen, die beim „Monitoring“ eines Speicherschrankes voller Lithium-Ionen-Batterien anfallen, in denen beispielsweise die selbst erzeugte Energie aus einer Photovoltaik-Anlage zum Eigenverbrauch gespeichert wird.

Auch hier geht es um sinnvolle Auswertungen zur Systemsteuerung/-optimierung, dann auch um die Ausgabe von Alarmen (zum Beispiel bei einer defekten Batterie), zunächst und im Kern aber um den Umgang mit der schieren Datenmenge, also um Technologie-Anwendungen wie verteilte Datenbank-Systeme, automatische Daten-Komprimierung und andere. Das hier zu gewinnende Know-how im „Big-Data-Management“ will Martin Leucker später auch auf andere Anwendungsfelder übertragen. „Wer weiß, vielleicht gründe ich dafür mal eine eigene Beratungsfirma“, lacht der 42-jährige Professor.

Hier erläutert Martin Leucker seine „grüne Navigation“ im Film:

http://www.youtube.com/watch?v=6vuHoHBfLp8

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(rwe)

Kleine Gesten, große Wirkungen: Vom natürlichen Umgang mit Computern

 

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[Geschäftsführer Sascha Clement demonstriert Wirtschaftsminister Meyer (rechts) ein gestigon-outdoor-panel]

Frage: Wie „natürlich“ gehen wir als Bediener mit unseren Computern im Alltag um? Etwa wenn wir sie mit einem „Maus“ genannten indirekten Zeigegerät steuern oder mit einem „Touch-Pad“, das wenige vom Nutzer gelernte Fingergesten-Befehle weitergeben kann,  oder mittels „Touch(en)“, also dem Drücken von Symbol-Bildern auf einer Monitor-Oberfläche?

Antwort: Wir könnten uns das wirklich einfacher, direkter und insofern „natürlicher“ vorstellen! Insbesondere ohne all die mehr oder weniger mühsam zu erlernenden (Hand-) Bewegungen, die das Steuern der Geräte überhaupt erst ermöglichen.

Der Weg zu einer deutlich natürlicheren Bedienung ist offen, sobald der Computer in der Lage ist, die Intention des Nutzers aus seinen normalen Körpergesten oder seiner Körpersprache insgesamt zu erkennen und richtig zu interpretieren, sodass die angesteuerte Anwendung die gewünschten Befehle ausführt. Dafür gibt es seit einigen Jahren 3D-Kameras, die inzwischen so klein sind, dass sie zum Beispiel in den Display-Rahmen eines Laptops passen. In großem Maßstab arbeiten solche Kameras zum Beispiel in der aktuellen Microsoft-Spielekonsole – die Bewegungssteuerungstechnik heißt hier „Kinect“.

Entscheidend für den Erfolg so eines Steuerungssystems ist nun, dass es auf dem Weg von der Nutzer-Geste zur Reaktion der Anwendung keine für den Nutzer wahrnehmbare Verzögerung gibt – und das möglichst auch bei eher kleinen Prozessoren wie etwa im Auto-Navigationssystem. Hier kommt die besondere Leistung der Firma Gestigon vom Lübecker Technologie-Campus im Hochschulstadtteil ins Spiel: Die Software-Entwickler haben eine so genannte „Middleware“ geschaffen, das heißt: patentierte Algorithmen zur Gesten- und Skeletterkennung aus den Rohdaten der Kamera und zu deren blitzschnellen Interpretation und entsprechenden Weitergabe an die Anwendung. Das Prinzip funktioniert auch bei kleinen Gesten etwa mit einem einzelnen Finger (ganz anders als bei einem Mitbewerber, dessen Systeme man mit ganzen Armschwüngen dazu bewegen muss, das Gewünschte zu tun).

Die Gestigon-Technologie setzt auf die Mustererkennung nach dem Prinzip der „selbstorganisierenden neuronalen Karten“, die am Institut für Neuro- und Bioinformatik der Lübecker Universität schon seit mehr als einem Jahrzehnt erforscht werden. Die Lübecker Lösung braucht nur relativ wenige „gute“ Pixel in den Kamera-Rohdaten, um daraus im Abgleich mit hinterlegten Skelettmodellen (bzw. deren wichtigsten Knotenpunkten – bei einer Hand sind es zum Beispiel 37 Punkte) die aktuelle, individuelle Geste erfolgreich zu erkennen. Die Methode bringt bei geringerem Aufwand schnellere und präzisere Ergebnisse als die Ansätze der Mitbewerber weltweit. Die Software beansprucht dann weniger Rechen- und Speicherleistung als der Mitbewerb, der mit großen hinterlegten Datenbanken arbeitet. So kann das Gestigon-Produkt flexibler auch im Massenmarkt kleinerer, robuster eingebetteter Systeme (etwa im Auto) eingesetzt werden.

Das seit 2011 bestehende Unternehmen Gestigon hat sich aus dieser Forschung heraus entwickelt. Heute sind hier 16 junge und jung gebliebene Entwickler dabei, den Weltmarkt für Gesten-Steuerungsmiddleware aufzurollen. Sascha Klement (34), Mitgründer und Miterfinder der Technologie, beschreibt die strategischen Ziele des jungen Unternehmens: „Wir konzentrieren uns in der Markt-Einführungsphase auf die Bereiche Consumer Electronics und Automotive. In diesen Bereichen bieten wir den Herstellern etwa von Laptops oder Navis unsere Middleware im Lizenzgeschäft an.“ Der kaufmännische Geschäftsführer Moritz von Grotthuss (43) berichtet von bestehenden Kontakten zu großen Industrie-Anbietern weltweit: „Auf dieser Basis werden wir aller Voraussicht nach in den nächsten Jahren rasant wachsen.“

Gerade noch auf dem Lübecker Campus – demnächst in Ihrem Auto: Eine 3D-Kamera mit der Gestigon-Software, die erkennt, wer sich da auf den Fahrersitz setzt – und den Sitz sofort entsprechend einstellt. Oder bei der Arbeit mit Ihrem Laptop: Das Gerät erkennt, wann es in den Ruhezustand gehen soll (zum Beispiel, wenn Sie sich zurücklehnen oder aufstehen) oder in welches Formular-Feld der Cursor in der Textverarbeitung springen soll, ohne dass Sie die zehn Finger von der Schreibtastatur nehmen – oder doch: einen brauchen Sie schon, der mit kleiner Geste, kaum abgehoben von seiner Ausgangsposition über dem „J“ oder dem „G“, das gewünschte Feld anvisiert – und dann auch am Computer endlich wieder zurecht „Zeige-Finger“ heißt.

(rwe)

Mehr Info: gestigon.de

Filme von Anwendungen:

http://www.youtube.com/watch?v=piy1dy5-wpE
http://www.youtube.com/watch?v=NW_vSDdPg-M

http://www.youtube.com/watch?v=sHbLgC_-hV0

Mehr Durchblick für Operateure: Ein neues Bildgebungssystem aus Lübeck geht an den Weltmarkt für Medizintechnik.

SONY DSC
Eva Lankenau und Marc Krug mit der iOCT-Kamera

Ein bekannter amerikanischer Augenchirurg hat es schon ausprobiert – und ist begeistert. Der filmische Zusammenschnitt des Fachvortrags von Michael Snyder vom Cincinnati Eye Institute auf einer internationalen Fachmesse zeigt eindringlich, wie er mithilfe einer neuen Kamera-Technik aus Lübeck ernste Schwierigkeiten während einer anspruchsvollen Operation am Auge bewältigt. (Der Film folgt unter diesem Beitrag zum Anklicken.)

Die kleine Lübecker Firma OptoMedical Technologies mit Sitz im TZL-Gebäude MFC 1  auf dem Hochschulcampus hat in den letzten Jahren die hier eingesetzte Kamera mit der sogenannten „iOCT“-Technologie entwickelt und gebaut. Die Abkürzung steht für „intraoperative Optische Kohärenztomographie“. Dieses nicht-invasive, also berührungslose Bildgebungsverfahren beschreibt die Firmengründerin Eva Lankenau anschaulich als „Ultraschall mit Licht, eingesetzt während der laufenden Operation“. Das Kürzel „iOCT“ ist inzwischen sogar als Marke eingetragen und entsprechend geschützt. Die Kamera arbeitet als High-End-Zubehör zu OP-Mikroskopen, Endoskopen, Koloskopen und anderen bildgebenden chirurgischen Instrumenten.

„Mit unserer Kamera sieht zum Beispiel der Augenchirurg ergänzend und gleichzeitig zum Bild des Operationsmikroskops ein einige Millimeter tief eindringendes zweidimensionales OCT-Schnittbild mit hoher Auflösung. Er kann also sehen, was er gerade tut, auch wenn das Mikroskop – etwa nach einem Säureunfall mit Schädigung der Hornhaut – kein oder nur ein schlechtes Bild liefert, weil es optisch die trübe Hornhaut buchstäblich nicht durchdringen kann“, erklärt Lankenau. Bei Konkurrenzgeräten müssen für solche OCT-Bilder Operationsabläufe unterbrochen oder Mikroskope weggeschwenkt werden, während die neue Kamera aus Lübeck voll in den Aufbau der OP-Mikroskope integriert ist und unterbrechungsfrei „mitarbeitet“.

Das physikalisch anspruchsvolle Bauprinzip hat die Forscherin bereits 2003 erfunden, damals noch als Mitarbeiterin am Institut für Biomedizinische Optik und am Laserzentrum der Universität. Die ersten Anwendungstests in verschiedenen Operationsbereichen wie Neurochirurgie, Kinderchirurgie, Hals-Chirurgie und Augenchirurgie laufen seit 2006. Um das Gerät an den Markt zu bringen, entschied sich die promovierte Physikerin schließlich 2009, eine eigene Firma zu gründen und gewann im Folgejahr auch gleich den Uni-Gründerpreis der Sparkasse zu Lübeck. „Zum Glück gab es damals das erste Exist-Förderprogramm der Bundesregierung, in das ich mithilfe der hervorragenden Gründerberatung hier auf dem Campus durch die GründerKlinik hineingekommen bin“, erzählt die heute 48-jährige „Ausgründerin“.

Seither ist das Team bei OPMedT auf acht feste Mitarbeiter und wechselnde studentische Mitarbeiter gewachsen. Und das bereits für die Anwendung in Europa zugelassene Gerät konnte so weit weiterentwickelt und in der Größe angepasst werden, dass es heute im Prinzip mit vielen möglichen OP-Mirkoskopen in den unterschiedlichen medizinischen Disziplinen zusammenarbeiten kann. Die „universelle“ iOCT-Kamera ist sozusagen bereit für den weltweiten Markt.

Das von der Sache begeisterte Team kann vor Ort in Lübeck Kleinserien von acht bis zehn Stück herstellen. „Das reicht für die interessierten forschenden Ärzte, die wir zunächst als Kunden adressieren, bisher auch aus“, berichtet Mit-Geschäftsführer Marc Krug. „Jetzt geht es um Etablierung des Systems am Markt, größere Stückzahlen kommen später dran“, ergänzt Lankenau.

Seit kurzem ist auch die weltweit agierende Haag-Streit-Holding mit Sitz in der Schweiz im Gesellschafter-Boot der GmbH. „Damit bekommen wir nun auch einen verlässlichen Vertriebspartner, mit dem wir diese echte Innovation sicher innerhalb der nächsten zwei Jahre am Markt werden platzieren können“, freut sich Eva Lankenau. – Na dann, die Freunde des Technologie-Blogs Lübeck wünschen viel Erfolg dabei.

(rwe)