Wirtschaft&Wissenschaft

Im neuesten Heft des Stifterverbandes für die deutsche Wissenschaft werden zahlreiche interessante Artikel zum Thema Ideenumsetzung und Gründung aus der Wissenschaft präsentiert. U.a. wird auch der Ansatz Science-Score-Card aus der Stadt der Wissenschaft Lübeck dargestellt.

Fazit: Lübeck ist mittendrin in einer spannenden und erfolgreichen Bewegung.

Zum Heft:  Wirtschaft_Wissenschaft_Gruendung

gründerheft

Navigations-App für den Campus

So praktisch kann das Ergebnis einer Studienarbeit an der Lübecker Uni sein: Zwei junge Informatik-Studenten haben eine App entwickelt, die Patienten und Studierende schnell und einfach zu den Einrichtungen und Firmen auf dem Klinik- und Hochschulcampus führt.

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Michael Hackmann (links) und Patrick Zenker bei der Arbeit an der neuen App (auf dem Monitor)

„Catch Up“ heißt die neue „App“ (Anwendung) für Smartphones und Tablets mit dem Android-Betriebssystem, die im Google Play Store kostenlos verfügbar ist. Sie ist das Ergebnis eines gemeinsamen Praktikumsprojektes von Michael Hackmann (27) und Patrick Zenker (25), Masterstudenten im letzten Semester mit den Schwerpunkten Medizininformatik bzw. Robotik.

Studierende, erklärt Zenker, seien zwar durchaus in der Lage, sich nach einiger Zeit auf dem Campus zurechtzufinden. „Aber bei den Neuankömmlingen sieht das schon anders aus. Und erst recht bei Patienten und Besuchern, die ja nicht so oft hier sind. Deshalb wird unsere App gebraucht.“ Und Hackmann ergänzt: „Über die reine Navigation zu den Einrichtungen auf dem Campus hinaus kann die App auch bei Veranstaltungen und Events eingesetzt werden, auch über die Grenzen des Campus hinaus Richtung Stadt mit ihren Restaurants, Bars und so weiter. Das ist für uns Studenten sehr interessant.“ Die Generation Smartphone lese die Mails und Blog-Ankündigungen der vielen Institute und Firmen auf dem Campus und auf den Websites von Veranstaltern in der Region kaum, aber das Mobiltelefon mit den vielen Google-Apps sei immer an. Da würde sich die neue App auch als integrierender Informationskanal bald bewähren.

Das technische Prinzip der App ist relativ einfach: Es werden diverse Zieldaten mit Geo-Koordinaten in einer Excel-Tabelle hinterlegt. In der Startversion sind rund 250 Ziele auf dem Campus eingepflegt, darunter diverse Kliniken und Firmen. Wenn ein Anwender ein Ziel in der App auswählt hat, fragt das hauptsächliche App-Skript die Navigationsdaten auf einem Google-Maps-Server ab und zeigt dann in Google Maps den geeigneten Fußweg an. Eine anschließende Live-Navigation darf gemäß Google-Geschäftsbedingungen nicht in der App selbst geschehen. Die Nutzung der Google-Daten ist bis zu 4000 Zugriffe im Monat kostenlos, danach lizenzgebührenpflichtig.

Die jungen Informatiker haben mit dieser App noch viel vor. „Wir haben mit Unterstützung des GründerCube hier auf dem Campus ein Konzept zur Unternehmensgründung mit diesem Produkt ausgearbeitet“, verrät Michael Hackmann. „Dabei geht es vor allem um das Thema Vermarktung, die auch zu Einnahmen führt“, erläutert Patrick Zenker. Unter den Studierenden werde sich die kostenlose App sicher schnell verbreiten. Parallel richte sich das Angebot aber auch an Gastronomie und Veranstalter in Lübeck, innerhalb der App gegen Gebühr orts- und eventbezogene Info- oder Werbehinweise zu schalten. Aber auch große Kliniken und andere für Besucher schwer überschaubare Gebäudebetreiber gehören zur Zielgruppe.

Mittel- und langfristig sehen die beiden Entwickler ihre App an vielen deutschen Hochschulen und Kliniken im Einsatz. „Sie ist einfach zu verwenden und zu pflegen, auch für größere Hochschul- und Klinikstandorte als Lübeck“, erklärt Hackmann. Für Hochschulen selbst soll die App stets kostenlos bleiben. Für die Werbepartner aus der studentennahen Szene der Hochschulstädte sollen überschaubare Preismodelle entwickelt werden. „Für den Zugang zur jeweiligen Szene brauchen wir natürlich Partner vor Ort. Die bekommen dann eine attraktive Provision“, erläutert Zenker einen Teil des zukünftigen Geschäftsmodells.

(rwe)

Info/Kontakt: www.catch-up-now.de

Video auf YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=-Ot_LsOmswo

FabLab-Lübeck im Aufbau

Ein FabLab (engl. Fabrication laboratory – Fabrikationslabor) ist eine offene High-Tech-Werkstatt mit dem Ziel, vom älteren Schüler über den Studenten bis zum Doktoranden oder ambitionierten Erfinder/Gründer/StartUp sowie auch jungen technologieorientierten Unternehmen/Dienstleister industrienahe Produktionstechniken für die Anfertigung von Funktionsmustern und Prototypen u.a. zu Lern- und Erprobungszwecken zur Verfügung zu stellen.

Typische Geräte sind 3D-Drucker, Laser-Cutter, CNC-Maschinen, um eine große Anzahl an unterschiedlichen Materialien und Werkstücken bearbeiten zu können („make almost everything“). FabLabs erlauben die unkomplizierte Anfertigung von hoch individualisierten Modellen (Rapid Manufacturing), jedoch keine eigentliche Fabrikation.

Das FabLab-Lübeck im TZL an der Seelandstraße wird derzeit eingerichtet. Eine Laserschneidanlage ist gerade – wie man sieht – erfolgreich getestet. Weitere Maschinen sind in der Zulieferung.

erster schritt

Weitere Info unter http://www.tzl.de/fablab/ ( www.fablab-luebeck.de ist in Arbeit) und mildner@tzl.de   .

Erfolgsfaktoren fürs Engineering: Spaß und Kultur

Ingenieure sind doch immer wieder für eine Überraschung gut. Gefragt nach den hauptsächlichen Erfolgsfaktoren des Engineering-Dienstleisters „HotSwap“ antwortet der Geschäftsführer: „Spaß und Kultur.“

Das muss dann doch erklärt werden. Schließlich ist die Entwicklungsarbeit für große Kunden insbesondere aus der Medizintechnik-Industrie doch in erster Linie von viel technologischem Know-how und jeder Menge Erfahrung geprägt, oder? Rainer Landich nickt. Aber worauf es ankomme, sei das „schwedische“ Klima, das unter den Mitarbeitern und in den Kunden-Projekten herrsche. „Bei uns steht der Spaß ganz oben im Werte-Leitbild. Wir glauben an die Eigenmotivation von Menschen. Und wir stellen nur Mitarbeiter ein, die eine große Freiheit im eigenen Kopf und eine positive, soziale Grundeinstellung mitbringen. Wir brauchen – und finden immer wieder! – echte technologische Problemlöser, keine Entwicklungsbeamten.“

Carrera-Rennbahn fürs Labor

Hot-Swap-Engineering-Projekt: „Carrera-Rennbahn“ fürs Labor (Foto: Wurzbach)

Das Engineering- und Consulting-Unternehmen mit schwedischen Wurzeln gibt ist in Deutschland seit 2006. Aus dem kleinen Gründerteam sind inzwischen im Gesamtunternehmen über 100 mitwirkende Ingenieure aus den Bereichen Software, Mechanik und Elektronik geworden, ein knappes Drittel von ihnen weiblichen Geschlechts. Im TZL-Campus-Gebäude im Hochschulstadtteil erfreuen sich 20 Mitarbeiter an der „schwedischen“ Unternehmenskultur des persönlichen Kennens, der heterogenen Teams und der flachen Hierarchien mit ganz kurzen Wegen. Die kurzen Wege schätzen die Hot-Swapper auch auf dem Lübecker Hochschulcampus. Hier engagiert das Unternehmen sich in Projekten mit verschiedenen Instituten, zum Beispiel im Bereich Medizingerätevernetzung. „Wir arbeiten gerne mit Praktikanten und Absolventen aus Lübeck. Und wir unterstützen die neue Fab-Lab-Idee des TZL, eine neue High-Tech-Werkstatt einzurichten, in der vom Schüler bis zum Doktoranden und Gründer verschiedene Menschen produktnahe Erfahrungen in Industrie 4.0 machen können“, erzählt Landich.

Und was bedeutet nun der ungewöhnliche Firmen-Name? „HotSwap“ heißt auf deutsch so viel wie „Austausch im laufenden Betrieb“, oft bezogen etwa auf Wechselfestplatten im PC-Bereich. Für Rainer Landich, den promovierten Elektrontechnik-Ingenieur aus dem Ruhrgebiet, sagt dieser Name aus, dass das Unternehmen sehr flexibel auf die speziellen Anforderungen seiner Kunden in allen Phasen der Entwicklung und des Lebenszyklus eines Produktes eingeht. „Und wenn im Projekt mal überraschend neue Ressourcen gebraucht werden, finden wir unter unseren Leuten immer einen, der das spezielle Know-how und ein passendes Zeitfenster mitbringt.“ Dabei würden die Mitarbeiter – anders als in der „deutschen“ Überstunden-Kultur – stets dazu angehalten, statt neuer Mehrarbeitsstunden auf andere Mitarbeiter-Ressourcen zurückzugreifen. „Denn“, so der 50-Jährige, „wir haben eine umfassende ethische Verantwortung nicht nur für unsere Kunden und insbesondere die medizintechnischen Produkte, sondern auch für unsere Mitarbeiter. Wie gesagt: Spaß-Kultur ist nichts Negatives, sondern leistungs- und einstellungsfördernd. Unser anhaltendes Wachstum gibt uns Recht. So haben wir in 2013 allein in Deutschland rund 40 High-End-Aufträge  umgesetzt.“

Das sind Projekte, die oft an der Spitze der technologischen Entwicklung arbeiten und für den Kunden am Markt Alleinstellung schaffen. Ein aktuelles „Bonbon-Projekt“ gibt Landich in Umrissen preis. So konnte für den Laborausstatter und -dienstleister GLP aus Hamburg eine Laborstraße weiterentwickelt werden, die im Projekt gern als „Carrera-Rennbahn fürs Labor“ bezeichnet wurde. Hier ging es insbesondere darum, neue Robotik-Module und eine zentrale Software-Steuerung zu implementieren. Der Kunde ist laut Landich hoch zufrieden. „Und die Mitarbeiter dort freuten sich über unsere lockere Art, die sie in anderen Projekten mit externen Partnern nicht so gewohnt waren. Erfolgsfaktor Mensch halt“, grinst der überzeugte HotSwapper Landich.

 (rwe)

Mehr Infos: www.hotswap.de

Biosensor entdeckt Gefahrenstoffe in der Luft

Attolab_Übergabe des Fördermittelbescheides durch Minister Meyer (1)

Zahlreiche Krankheitserreger verbreiten sich über die Luft. Um Ausbrüche von Epidemien in Zukunft effektiv verhindern zu können, müssen Umgebungen kontinuierlich auf gesundheitsschädliche Bakterien, Viren oder Pilze überprüft werden. Die Lübecker ATTO-LAB GmbH mit Sitz im MFC 1 des TZL-Campus entwickelt jetzt einen hochempfindlichen Biosensor, der Krankheitserreger oder biologische Gefahrenstoffe bereits in sehr geringen Mengen in der Luft nachweisen kann.

„Eine Technologie, die eine automatisierte und effiziente Überwachung biologischer Gefahrstoffe in der Luft möglich macht, wäre zurzeit weltweit einzigartig“, sagte Technologieminister Reinhard Meyer bei der Übergabe eines Förderbescheides. Grundlage dieser Innovation soll das von ATTO-LAB bereits entwickelte Analysesystem Q-MAP sein. Es kann in sehr kurzer Zeit geringste Mengen an Bakterien und Schadstoffen sicher identifizieren. Es arbeitet bisher allerdings ausschließlich mit flüssigen Proben. Eine erfolgreiche Anpassung der Probenentnahme aus der Luft würde eine äußerst zuverlässige Überwachung in Bezug auf biologische und chemische Kampf- und Gefahrenstoffe ermöglichen.

Im ersten Schritt der Entwicklung und Erprobung von „Q-MAP – BioSensAir“ konzentriert sich ATTO-LAB auf die Bedürfnisse von Flughäfen – insbesondere in Deutschland. Weitere Einsatzmöglichkeiten sind neben der zivilen und militärischen Gefahrenabwehr zum Beispiel die Überwachung von Operationssälen, Intensivstationen und anderen sterilen Bereichen in Krankenhäusern, die Kontrolle von Reinräumen in der Computer- oder Medizintechnik und die veterinärmedizinische Überwachung von Zuchtbetrieben.

 „Da bisher keine vergleichbare Technologie existiert, hat ATTO-LAB bei Erfolg beste Aussichten auf die Marktführerschaft in diesem Segment“, so Minister Meyer. „Nicht nur in Europa, sondern auch in Amerika und Asien besteht großes Interesse an dieser Entwicklung.“ Durch dieses Vorhaben sichert ATTO-LAB bestehende und schafft zahlreiche neue Arbeitsplätze.

 

Lübecker Herzinfarkt-Forschung geht voran

Großartige Video-Darstellung zum Stand der Forschung und Entwicklung bei der genomischen Diagnostik bei Herzinfarkt des Instituts für Integrative und Experimentelle Genomik im MFC 1.

„The Institute for Integrative and Experimental Genomics aims to better understand the genetic factors that lead to cardiovascular diseases, eg. atherosclerosis and myocardial infarction – more commonly known as heart attack.

There is an urgent need to progress beyond current state-of-the-art genetics by adding further levels of -omics data and approaches that include markers of regulatory function. By integrating bioinformatical, epidemiological, clinical and experimental data, we propose to elucidate the functional basis of already-known genetic loci, as well as identify novel pathways to further understand the pathomechanisms leading to these life-threatening diseases. To fulfill these overarching goals the Institute hosts an interdisciplinary as well as international research team of 30 scientists, PhD and MD students and technicians.“

 

Die Boston-Lübeck-Connection für bessere Augen-Untersuchungen

Informatiker und Psychologen aus Boston und Lübeck entwickeln eine (noch) kleine Firma im Hochschulstadtteil, die sich auf die Entwicklung neuartiger Augen-Tests spezialisiert hat.

AST-Team

Das Lübecker AST-Team (von links: Manuel Wille, Michael Dorr, Tiberiu Viulet) neben einem Prototypen des Sehtest-Systems

Den vereinbarten Interview-Termin hätte Michael Dorr beinahe verpasst. „In meinem inneren Kalender war noch Boston-Zeit“, lacht der 36-Jährige in Lübeck promovierte Informatiker, der jetzt zwischen Nordamerika und Norddeutschland pendelt. Seine Firma, die Adaptive Sensory Technology (AST) GmbH, hat soeben ihren Sitz in einem der TZL-Campus-Gebäude im Hochschulstadtteil genommen. „Wir haben hier die nötigen Rahmenbedingungen, um mit hoch qualifizierten Mitarbeitern von der Uni weiter zu wachsen und die Firma zu entwickeln“, erläutert Dorr.

An den Algorithmen für seine Produktidee hat er als „Lübecker Post-Doc“ an der Harvard Medical School zusammen mit einem Team aus Informatikern, Psychologen und Neurowissenschaftlern jahrelang gearbeitet. „Immer mehr Menschen sind vom schleichenden Sehverlust zum Beispiel im Alter betroffen.“, meint der Seh-Wissenschaftler. „Je früher eine Veränderung des Sehvermögens erkannt wird, desto besser sind die Behandlungschancen.“

An dieser Stelle setzt das Untersuchungsverfahren von AST an. „Der herkömmliche Buchstaben-Lesetest beim Augenarzt konzentriert sich ausschließlich auf die Erfassung des Schärfe-Sehens des Patienten, wobei auf die Buchstabengröße abgehoben wird“, erklärt Dorr. „Die im Alltags-Sehen so entscheidende Kontrast-Empfindlichkeit des Auges wird nicht untersucht, obwohl es dafür seit 30 Jahren im Prinzip geeignete Tests gibt.“ Diese Verfahren hätten sich in der Praxis nicht durchsetzen können, so Dorr, weil sie zu zeitaufwändig und als einzelne Untersuchung zu wenig aussagekräftig seien. Erst das neue Verfahren sei in der Lage, in Minutenschnelle hoch präzise und aussagekräftige Ergebnisse für die alles entscheidende Kombination aus Größen- (Schärfe-) und Kontrast-Sehen zu liefern. Es arbeitet „adaptiv“, passt sich also an den Augen-Zustand des jeweiligen Probanden softwaregesteuert sehr schnell an und optimiert sich so selbst. Die ungewöhnlich geformten Buchstaben, die der Proband hier zu sehen bekommt, verändern sich nach einem bestimmten System, mit dem neben der Geschwindigkeit auch die Genauigkeit der Messung gegenüber älteren Verfahren deutlich erhöht wird. Die Algorithmen laufen dabei auf einem leistungsfähigen Rechner, während die Bedienung über ein handliches Tablet erfolgt.

AST hat inzwischen Prototypen des Mess-Systems bei Partnern in Forschungseinrichtungen und Krankenhäusern in den USA aufgebaut. In Deutschland finden derzeit Gespräche mit Industriepartnern aus den Bereichen Pharma und Augenheilkunde statt. „Es ist für die industrielle Forschung und Entwicklung, etwa für eigene Studien mit Patienten vor der Zulassung von Medikamenten, hoch interessant, schnell und präzise messen zu können. Zum Beispiel um Nebenwirkungen rechtzeitig und klar erkennen zu können“, erklärt Dorr.

Parallel arbeitet AST an der Optimierung der Bedientauglichkeit des Systems und an der Zulassung nach den gesetzlichen Bestimmungen für den medizinischen Bereich in den USA und in Deutschland. „Dabei werden wir weiterhin allerhand lernen“, meint der Wieder-Lübecker und Neu-Geschäftsmann. Für die eigentliche Business-Entwicklung hat er seinen alten Bekannten aus dem Lübecker Informatik-Studium als Geschäftsführer an Bord geholt: Manuel Wille (39) hat bereits in Lübeck und Kalifornien eine Software-Company zum internationalen Erfolg geführt und engagiert sich jetzt wieder neu im medizintechnischen Feld, das ihm besonders am Herzen liegt. „Mit Technologie die Lebensqualität von Menschen positiv beeinflussen zu können, ist  eine neue und dankbare Erfahrung“, betont Wille.

(rwe)

Die Entwickler-Helfer

Ein Informatiker-Team der Lübecker Uni hilft den Software-Entwicklern in Industrie und Kliniken dabei, die tatsächlichen Bedürfnisse der späteren Nutzer schon im Prozess der Produktentwicklung zu berücksichtigen.

Usability-Herczeg

„Nokia ist daran gescheitert.“ Professor Michael Herczeg (rechts im Bild) vom Institut für Multimediale und Interaktive Systeme der Universität zu Lübeck (IMIS) nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es um sein Spezialthema geht: Software-Ergonomie, also die Bedien- und Gebrauchstauglichkeit von Geräten, die über Softwareanwendungen gesteuert werden. „Beim Mobiltelefon, heute: Smartphone, kennt das jeder“, erläutert Herczeg das Problem der Hersteller: „Der Benutzer möchte immer komplexere Aufgaben mit dem Gerät erledigen – aber dafür nicht extra ein Bedienstudium machen müssen. Das Gerät muss sich weitgehend selbst erklären. Die Entwickler arbeiten derweil fleißig und technisch erfolgreich ihre Anforderungs- und Funktionslisten im traditionellen industriellen Entwicklungsprozess ab, aber die realen Nutzerbedürfnisse werden nur am Rande erfasst oder beliebig interpretiert.“ Nokia, so meint der Ergonomie-Experte, habe nach sehr erfolgreichen und für die damalige Zeit auch guten Produkten einfach zu lange gewartet, ob die Touchscreen-Euphorie seit Apples iPhone nicht doch irgendwann vorbei geht. Das geschah nicht, das Gegenteil war der Fall, weil es seitens der Benutzer und Käufer längst neue Erfahrungen und Erwartungen gab. Die Nokia-Telefone funktionierten zwar nach wie vor technisch gut. „Aber keiner wollte sich mehr mit einer Tastatur durch die wenigen Anwendungen klicken. Viele Anwender kauften dann massenweise Geräte aus Südkorea, wo Apples Design schnell für breitere Käuferschichten aufgegriffen und adaptiert worden war. So kann ein Innovations- und Marktführer schon mal einbrechen“, analysiert Herczeg, „einfach weil er seine Zielgruppen und deren Usability-Wünsche nicht genau genug bestimmt und bedient hat. Wenn man dann erst einmal zu spät dran ist, ist es sehr schwer, seine Kundschaft und deren Vertrauen wiederzugewinnen.“ Mit Blick auf den Sieger im Wettbewerb fügt der Experte lächelnd hinzu: „Übrigens ist selbst das iPhone nicht in jeder Hinsicht besser, aber es war zum richtigen Zeitpunkt aus Sicht der Käufer und Benutzer die Lösung inklusive der persönlichen Identifikation mit dem Produkt und das ist letztlich entscheidend für den Erfolg.“

In Sachen „Usability“ macht dem Lübecker IMIS-Team so schnell keiner etwas vor. In den vergangenen fünf Jahren haben die Fachleute des Instituts unter Herczegs Leitung eine modular aufgebaute Software entwickelt, die weltweit einmalig ist. Sie hilft den Software-Entwicklern in Industrie und Kliniken dabei, die Nutzer mit ihren Erwartungen frühzeitig in den Entwicklungsprozess einzubeziehen. Der Lübecker Werkzeugkasten trägt den sprechenden Namen „UsER“, Usability Engineering Repository“. Es stellt dem Entwickler systematisch und voll integriert alle Informationen, die er für bestmögliche Anwenderorientierung braucht, unter einer einfach bedienbaren Browser-Oberfläche zur Verfügung: Benutzereigenschaften, Organisationsstrukturen, Aufgabenstellungen, Arbeitsabläufe, Nutzungsszenarien, Wünsche, Ideen, Konzepte, auch gesammeltes Feedback und Diskussion. Dazu gehören beispielsweise auch standardisierte und validierte Ergonomie-Fragebögen für anvisierte Nutzer, mit deren Hilfe Kunden-Umfragen umsetzbare Ergebnisse und Bewertungen erzielen und nicht beliebig interpretiert werden können.

Das Lübecker Tool ist auch für Anwendungen in der Medizin bereits im Testeinsatz. „Dort weiß man, wie wichtig nutzerorientiertes Design ist. Es geht hier um Sicherheitsvorteile, um schnelles, richtiges Reagieren in kritischen Situationen – im OP ebenso wie auf der Intensivstation. Man hat da einfach keine Zeit, auf dem Bedien-Display herumzusuchen“, erklärt Professor Herczeg. Das Usability-Thema werde noch immer unterschätzt. „Aber wie das Beispiel aus der Mobilgeräteindustrie zeigt: Als zentrales Verkaufsargument bei relativ gleicher technischer Leistungsfähigkeit wird unser Thema immer bedeutsamer. Hersteller unterscheiden sich heute kaum mehr in der Produktfunktionalität, aber erheblich in der Gebrauchstauglichkeit und Erlebnishaftigkeit ihrer Produkte. Unser UsER-Entwicklungssystem ist vor allem auch in der Medizintechnik geeignet und wird ständig modular erweitert. Zurzeit arbeiten wir unter anderem an einem integrierten Design-Styleguide.“

(rwe)

Weitere Infos auf der Website des Instituts: http://www.imis.uni-luebeck.de/de/forschung/user-usability-engineering-fuer-softwaresysteme-oeffentlichen-verwaltungen

Sagt der eine Sensor zum anderen…

 

… „Wach auf, wir müssen arbeiten!“ Und schon schreckt der andere aus seinem Dämmerzustand hoch und kommuniziert für einige Millisekunden mit seinem anfragenden Kumpel im Drahtlos-Netzwerk, um die aktuell wichtigen Messdaten auszutauschen. Dann schläft er weiter – bis er ein paar Sekundenbruchteile später wieder kurz aufhorcht, ob da irgendein Netzwerk-Kumpel was mitzuteilen habe. Und so geht das den ganzen Tag, ja ganze Jahre weiter. Und wenn ihnen nicht der Batteriestrom ausgegangen ist – was praktisch nie passiert, weil ihr speziell programmierter Schlaf-Wachrhythmus kaum Energie verbraucht – so funken sie noch heute.

Blog 15 Nr.1

Carsten Buschmann beim Anschluss eines Drucksensors an die Funkeinheit

So „märchenhaft“ kann man es sich vorstellen, wenn Carsten Buschmanns „WSNs“ bei der Arbeit sind. Die drei großen Buchstaben stehen für „Wireless Sensor Networks“, also für Netzwerke von Sensoren, die eigentlich sehr kleine Computer-Module mit speziellen Funktionalitäten und mit eingebauter Drahtlos-Kommunikationsschnittstelle sind. Buschmann ist Geschäftsführer der coalesenses GmbH im Lübecker Hochschulstadtteil, die solche flexiblen, frei skalierbaren Sensor-Netz-Modulsysteme entwickelt und produziert.

Der 37-Jährige hat 2009 am Institut für Telematik der hiesigen Universität promoviert und sich dann als Uni-Ausgründer selbstständig gemacht. Heute sind bei Coalesenses fünf Mitarbeiter beschäftigt. „In Lübeck entwickeln wir für Kunden und testen neue Module. Produktion und Vertrieb finden über Partnerunternehmen in der ganzen Bundesrepublik statt“, erläutert der Informatiker sein Business-Konzept. Im Sommer dieses Jahres will das Lübecker Team so weit sein, dass für die meisten Sensor-Typen und Sensor-Schnittstellen auf dem Markt ein passendes Netzwerk-Modul von coalesenses in kürzester Zeit geliefert werden kann. „Unsere Module haben jetzt einen jahrelangen Testungsprozess hinter sich, jetzt ist die Hauptentwicklungsarbeit getan. Wir haben vier Hauptmodul-Typen mit jeweils mehreren Schnittstellen im Angebot, mit denen praktisch jeder Kunde sofort loslegen kann“, freut sich Buschmann.

Die teilweise nur zigarettenschachtelgroßen Produkte aus Lübeck sind bereits in Hunderter-Stückzahlen in verschiedenen Museen des Landes im Einsatz, wo sie automatisch und wartungsfrei insbesondere Temperatur- und Feuchtigkeit in den Räumen mit wertvollen Exponaten überwachen. Die Sensor-Daten werden von einem dafür zuständigen Modul über eine Intranet- oder Internetverbindung an ein Auswertungsportal  (im Web oder auf einem lokalen Computer) und an eine Speichereinheit geschickt, die beide zum Netzwerk-Produktsystem aus Lübeck dazu gehören.

Ein anderes Beispiel für den Einsatz solcher drahtloser Sensoren-Netzwerke ist aktuell im Kreis Segeberg zu besichtigen:  Im Rahmen eines Projektes für die Bundesanstalt für Straßenwesen testet die coalesenses GmbH mit Projektpartnern dort gerade das Potenzial der System-Module aus Lübeck für die Überwachung von Brücken: „Der Kunde misst mit unseren Modulen etwa Neigungsbewegungen des Materials und die Veränderung von Rissen. Wenn man solche automatischen Mess-Systeme dauerhaft montierte, ständen dem verantwortlichen Statik-Prüfer objektive Messdaten über längere Zeiträume zur Verfügung und er könnte entsprechend leichter entscheiden, wann was in der Brückenpflege zu tun ist.“ Ein so bekanntes Unglück wie der Einsturz des Daches der Eislaufhalle in Bad Reichenhall 2006 wäre mit einer einfachen Funk-Sensor-Überwachungsanlage im Wert von vielleicht 2000 Euro möglicherweise verhindert worden, meint der Vernetzungsprofi aus Lübeck. „Anwendungsgebiete für unsere Systeme sehen wir in den Bereichen Sicherheit, Bauwerksüberwachung, Energiemanagement, Prozesssteuerung und -überwachung.“

(rwe)

Blog 15, Nr.2

Elektronik-Ingenieur Torben Hiller bei der Montage eines Internet-Modems zur Brückenüberwachung in Bad Segeberg

Weitere Infos:

http://www.coalesenses.com/index.php/products/solutions/wireless-data-acquisition/

CMSSE _ Vernetzung von Medizingeräten mit Web Services

Die Vernetzung von Medizingeräten mittels Web Services im OP, auf der Intensivstation, im Krankenhaus und generell im Gesundheitswesen ist das Thema des CMSSE Center for Medical Software and Systems Engineering. Statements namhafter klinische Anwender, Betreiber und Hersteller unterstützen den CMSSE-Ansatz an der Universität zu Lübeck.