Am Institut für Molekulare Medizin der Lübecker Universität (IMM) werden diagnostische Verfahren entwickelt, die eine nichtinvasive Tumorerkennung ermöglichen. Das Institutsteam von Professor Georg Sczakiel beteiligt sich mit diesem Thema an der „Industrie-in-Klinik-Plattform Lübeck“.
„Ich kann selbst kein Blut sehen“, verrät Professor Sczakiel lachend. Für ihn sei deshalb schon das bloße Blutabnehmen ein Eingriff in den Körper. Anders bei der Urinprobe: „Die können die Patienten ganz ohne Eingriff abliefern.“ Der Chemiker hat es sich deshalb unter anderem zur Aufgabe gemacht, neuartige uro-onkologische Krankheitsmarker zu finden und in geeignete labordiagnostische Verfahren umzusetzen.
Dabei setzt Sczakiel auf molekularer Ebene an. Die neuen Marker lassen sich als Moleküle beschreiben, die das aktuelle Geschehen in Tumorzellen beim Blasenkarzinom anzeigen: Ribonukleinsäuren (RNA). „Wir haben zum Nachweis des Harnblasenkarzinoms bereits einen sehr robusten, zuverlässigen RNA-Marker gefunden und arbeiten hierfür an einer Machbarkeitsstudie zur Entwicklung eines standardisierten Verfahrens“, berichtet Georg Sczakiel. Denn nach der Entdeckung so eines chemischen Zeigers geht es in der Labordiagnostik stets darum, sogenannte „SOPs“ (Standard Operating Procedures) zu erarbeiten, mit deren Anwendung in verschiedenen untersuchenden Laboren reproduzierbar dieselben Messergebnisse erzielt werden können. „Neben der chemisch-technischen Stabilisierung der Probe für den Transport geht es dabei auch darum, den Laborarzt oder Laboranten mit klaren Arbeitsanweisungen auszustatten, die den Labortest treffsicher und aussagefähig machen“, so Sczakiel.
Mittelfristig zielt ein solches Vorgehen auf die Entwicklung von präzisen und einfach anzuwendenden nichtinvasiven Testverfahren. Professor Sczakiel kann sich vorstellen, in Zusammenarbeit mit Herstellern von Labordiagnostika schließlich sogar zu einem „Test-Kit“ für den Hausarzt oder für Zuhause zu kommen: „Prinzipiell funktioniert das dann wie der verbreitet genutzte Teststreifen für den Blutzuckertest. So ein Verfahren senkt die psychische Hürde für die Untersuchung erheblich, der Patient macht es freiwillig zur Früherkennung ohne Untersuchungsstress und ohne große Kosten für das Versorgungssystem“, so Sczakiel. Solche Kits könnten dann auch bei der Nachsorge nach einer operativen Tumor-Entfernung verwendet werden. Diese Tests seien zudem erheblich präziser als etwa die übliche, deutlich invasive Harnblasenspiegelung. Sczakiel geht davon aus, dass es langfristig möglich sein wird, solche nichtinvasiven molekularen Verfahren auch zur Diagnose anderer Krankheiten und dann auch zur Medikamentenentwicklung einzusetzen. „Bereits heute ist erkennbar, dass zum Beispiel ein kleines Molekular-Testfilmchen auf der Haut in nicht so ferner Zeit bösartigen Hautkrebs eindeutig von harmlosen Hautveränderungen unterscheiden kann, ohne die betroffene Stelle herauszuschneiden“, blickt der Chemiker voraus.
Bei der Weiterentwicklung solcher Ansätze an der Spitze der internationalen Forschung arbeiten die Lübecker Molekularmediziner mit verschiedenen Herstellern von Labordiagnostika und Laborgeräten zusammen. „Wir haben für derartige Projekte auf dem Lübecker Campus diverse bestens geeignete Einrichtungen, zum Beispiel die Klinisch-Experimentelle Forschungseinrichtung (KEF), ausgestattet mit einer großen Palette von Laborumgebungen und Geräten, wo wir gemeinsam mit Experten anderer Institute, Kliniken und Hersteller praktisch alle Entwicklungsschritte gehen können“, erklärt Sczakiel, der neben seinem Institut auch diese Campus-Einrichtung leitet.
(rwe)