Die Lübecker Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am UKSH entwickelt in Zusammenarbeit mit Medizinprodukte-Herstellern neue, intelligente Assistenz-Systeme. Das Klinik-Team von Professor Dr. Carla Nau beteiligt sich nicht nur in diesem Themenfeld an der „Industrie-in-Klinik-Plattform Lübeck“.
Auf dem Lübecker UKSH-Campus werden in jedem Jahr über 40.000 operative Eingriffe durchgeführt. Über 4.000 Patienten müssen jährlich intensivmedizinisch versorgt werden und dabei auch zeitweise künstlich beatmet werden. Gerade in diesem sensiblen Feld der modernen Medizin kommt es auf die Qualität der verfügbaren Technologie wesentlich an. „Wir behandeln Hochrisiko- und kritisch kranke Patienten, deshalb versuchen wir, auch unsere Überwachungs- und Behandlungstechnologien im Sinne der Versorgungsqualität der Patienten ständig zu verbessern“, erklärt Prof. Nau, die seit 2013 die Lübecker Klinik leitet. Dazu arbeitet das Klinik-Team erfolgreich mit Medizintechnik-Herstellern und den technologischen Forschungseinrichtungen auf dem Lübecker BioMedTec-Campus zusammen.
Ein Beispiel für neue Entwicklungsperspektiven sind verbesserte Monitoringtechnologien für Beatmungsgeräte, die in Lübeck getestet werden sollen. Ein konkreter Anwendungsfall: Wenn der Intensivmediziner einen Patienten aus der künstlichen Beatmung zurück in die natürliche Eigenatmung führen will, bedient er sich heute normalerweise der Schritt-für-Schritt-Methode, das heißt: Er testet, wie der Patient auf schrittweise weniger zugeführte Atemunterstützung reagiert. Der Arzt verlässt sich in diesem Prozess auf seine Erfahrungswerte. „Zukünftig soll der Arzt durch Echtzeit-Messdaten eines intelligenten Monitoring-Gerätes unterstützt werden“, erläutert Carla Nau. „Neue Software- und Sensorik-Systeme machen es möglich, die Prozess-Sicherheit zu erhöhen, und zwar vollständig nicht-invasiv. Man kann sagen: Das Gerät berät den Arzt auf der Basis von ständig aktualisierten und rückgekoppelten physiologischen Messdaten und empfiehlt entsprechende Schritte der Beatmungs-Deeskalation.“
Solche Assistenz-Systeme sollen laut Nau in Zukunft noch weitaus „intelligenter“ werden. Gemeint ist hier die technologische Fähigkeit, die als Daten vorliegenden Informationen aus verschiedenen Geräten und aus der elektronischen Patientenakte zu einer sinnvoll-zielführenden Empfehlung für den behandelnden Intensivmediziner zu integrieren. „Was wir uns von diesem Big-Data-Thema mittelfristig erhoffen, ist zum Beispiel ein Monitoring-System mit Daten-Integrationsfunktion, das automatisch auf Gefahren hinweist, zum Beispiel auf die Entwicklung einer Lungenentzündung oder Sepsis, und das beispielsweise auch den Zeitraum bis zum Aufwachen aus der Narkose individuell vorhersagen kann“, so die Klinik-Chefin.
Ein anderes Zukunftsthema sieht die 47-Jährige in der technologischen Verbesserung von Simulatoren in der Mediziner-Ausbildung: „Ich wünsche mir für unseren Simulations- und Ausbildungs-OP eine Full-Scale-Puppe für das Intensivmedizin- und OP-Training, die ihre ‚physiologischen‘ Reaktionen auf die jeweiligen Notfallmaßnahmen der Trainierenden vollautomatisch realitätsnah steuern kann, in die also zum Beispiel auch ein Lungenmodell und ein Hämodynamikmodell integriert ist.“ Auch im Bereich der Telemedizin engagiert sich die Lübecker Klinik-Leiterin: „Die bundes- und weltweite Fern-Konsultation von Experten durch Experten mit sicheren Kamera-Übertragungssystemen kann und wird die Qualität von Diagnose und Behandlung erhöhen. Und warum sollte ein nur schwer beweglicher kranker Mensch nicht per Kamera am Bett in der Klinik oder zu Hause mit seinem Anästhesisten ein Aufklärungsgespräch führen können, wenn die körperliche Untersuchung bereits erfolgt ist?“, fragt Carla Nau, rein rhetorisch.
(rwe)