Archiv der Kategorie: Allgemein

Lübecker Augenärzte entwickeln Lasersystem für die Behandlung von Frühgeborenen

Die Lübecker Klinik für Augenheilkunde des UKSH gehört zu den deutschlandweit führenden Einrichtungen insbesondere im Bereich der Erkrankungen der Netzhaut. Das Team von Klinikleiter Professor Dr. Salvatore Grisanti beteiligt sich gemeinsam mit anderen Kliniken des UKSH-Campus Lübeck an der „Industrie-in-Klinik-Plattform Lübeck“. Ein beispielgebendes aktuelles Entwicklungsprojekt zielt auf die Miniaturisierung und leichtere Handhabbarkeit von Lasersystemen, die insbesondere für die Behandlung von Frühgeborenen eingesetzt werden sollen.

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Bei frühgeborenen Säuglingen kommt es vor, dass ihre Netzhaut nach der Zeit im Inkubator in abnormer Weise reift. Die Babys drohen durch Wucherungen „unreifer“ Netzhautgefäße zu erblinden. Wird dieses Phänomen rechtzeitig erkannt, kann der Augenarzt den Wucherungsprozess stoppen, indem er die abnorme Netzhaut mit dem Laser verödet. „Bei diesen und anderen selbst nicht so beweglichen Patienten kommt es darauf an, das portable Lichtlupen-Instrument zur Untersuchung des Augenhintergrundes – das Kopf-Ophthalmoskop – und das eigentliche Behandlungsinstrument – den Laser samt Auslöser – in ihrem Zusammenspiel so zu optimieren, dass der Arzt mit größter Flexibilität, Sicherheit und Effektivität arbeiten kann“, erklärt Salvatore Grisanti. Sein Team arbeitet deshalb gemeinsam mit einem Gerätehersteller daran, eine bestimmte Lasertechnologie handhabungstechnisch zu erneuern: „Wir haben beim Laser einen effektiven Wellenlängen-Standard wiederentdeckt, der aber bisher nur in großen Geräten verwendet wird. Für uns geht es nun um die Miniaturisierung, damit die Gesamtergonomie bei der Behandlung verbessert wird.“ Projektziel sei es insbesondere, ein kompaktes und leichtes Gesamtsystem zu entwickeln, das es dem Behandler erlaubt, auf einfachste Weise mit spezieller Laserauslösung zu arbeiten, ohne einer anderen bedientechnischen Ablenkung ausgesetzt zu sein, wie es derzeit der Fall ist.

Aber nicht nur in diesem Bereich sieht Klinikchef Grisanti große Potenziale für eine enge Zusammenarbeit seiner Klinik mit den Herstellern von medizintechnischen Geräten. „Wir entdecken ständig neue technische Entwicklungsbedarfe für eine noch bessere Behandlung unserer Patienten und suchen gemeinsam mit engagierten Herstellern nach zielführenden Anwendungslösungen“, so der Augenarzt.

Ein weiteres Beispiel ist ein Entwicklungsprojekt im Bereich der „Beschichtung“ von unterschiedlichen Implantaten, die intraokular (im Auge) eingesetzt werden. In Kooperation mit einem innovativen Hersteller und mit Spezialisten für Nanotechnologie testen die Lübecker Augen-Forscher den Einsatz einer Beschichtung von intraokularen Implantaten. Hierzu gehören künstliche Linsen zur Behandlung des „Grauen Stars“ (Linsentrübung) oder Drainagesysteme für den „Grünen Star“ (Erkrankung des Sehnerven). „Wir hoffen, Nano-Beschichtungen zu finden, mit denen die Implantate unanfällig für Abkapselungsprozesse werden und somit die Funktionsfähigkeit langfristig erhalten bleibt“, erläutert Prof. Grisanti.

Im Labor der Lübecker Augenklinik wird auch daran gearbeitet, künstliche Hornhäute zu züchten. „Die Hornhaut-Transplantation ist die häufigste Transplantation überhaupt“, berichtet Salvatore Grisanti. Da nicht genügend Spender zur Verfügung stehen, sei es sinnvoll, an Alternativen zu forschen. Sein Team erziele zurzeit erste Labor-Erfolge auf Basis eines Quallen-Kollagens.

Die Bandbreite der Innovationsthemen umfasst auch die Digitalisierung. Die Lübecker Universitäts-Augenklinik ist die deutschlandweit führende Klinik der Maximalversorgung im Hinblick auf die Umsetzung einer integrierten elektronischen Patientenakte im Klinik-Informationssystem. Derzeit wird die Weiterentwicklung mit Anbindung der vielfältigen Diagnostikmöglichkeiten in der Augenheilkunde fokussiert. „Die umfassende Bereitstellung und zielführende Auswertung von Patientendaten bringt uns einer optimalen Versorgung in effizienten Prozessen näher“, stellt Klinikchef Grisanti die Bedeutung der Klinik-IT heraus.

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Lübecker Chirurgen auf dem Weg zu neuen Navigationstechnologien im OP

Die Lübecker Klinik für Allgemeine Chirurgie des UKSH gehört zu den deutschlandweit führenden Einrichtungen für minimal-invasive Operationstechnik insbesondere im Bereich der Laparoskopie („Bauchspiegelung“). Das Team von Klinikchef Professor Dr. Tobias Keck beteiligt sich gemeinsam mit anderen Kliniken des UKSH-Campus Lübeck an der „Industrie-in-Klinik-Plattform Lübeck“. Keck sieht in diesem Zusammenhang große Potenziale für eine enge Zusammenarbeit mit den Herstellern von medizintechnischen Geräten insbesondere in den speziellen Lübecker Forschungs- und Entwicklungsschwerpunkten Navigation und Bildgebung.

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„Als eines von deutschlandweit nur zwei zertifizierten Exzellenzzentren für minimal-invasive Chirurgie legen wir Wert darauf, an der Spitze des technologischen Fortschritts zu agieren“, formuliert der 44-jährige Chirurg seinen Anspruch. „Dazu gehört zum Beispiel, dass wir bereits häufig mit der neuen Technologie der 3D-Laparoskopie arbeiten, die uns mit ihrem räumlichen Bildeindruck unter anderem ermöglicht, hoch präzise, auch rekonstruktive Operationen an der Bauchspeicheldrüse vorzunehmen.“
Für die Zukunft sieht Tobias Keck insbesondere auf dem Feld der computergestützten Navigation gute Chancen für neue Technologien, die zu noch besseren und den Patienten weniger belastenden Operationsergebnissen führen können: „Wir versprechen uns von Fortschritten in der Robotik und in der Bildgebung neue Impulse für die optimale Navigation während der Operation. Auf diesen Gebieten führen wir bereits mehrere Forschungs- und Entwicklungsprojekte auch in Zusammenarbeit mit Geräteherstellern durch.“

In einem gemeinsamen Projekt mit dem Institut für Robotik der Lübecker Universität arbeiten die Chirurgen an der Weiterentwicklung von ultraschallbasierten Techniken zur Navigation mithilfe eines Robotik-Systems. Dabei geht man von einer Grundproblematik jeder „klassischen“ OP-Navigation auf Basis von zuvor angefertigten CT- oder MRT-Bildern aus: Beim Eingriff entstehen ständig von den Bilddaten abweichende Bewegungsartefakte, denn der Patient beziehungsweise das operierte Organ werden bewegt. Eine präzise Navigation ist nur möglich, wenn diese Störungen in der permanenten Bildgebung sofort korrigiert werden können. „Rein von der softwareseitigen Bilddatenkorrektur her stehen wir hier vor hohen Hürden, also denken wir über die Robotik-Alternative nach: einen sich selbst stets nachsteuernden Roboter-Arm einzusetzen, der auf der Basis des Ultraschall-Trackings ständig mit jeder Bewegung mitgeht, sodass der Operateur durchgängig eine Art Ultraschall-Livebild sehen kann“, erklärt der technologiebegeisterte Chirurg den neuen Ansatz. Da Ultraschall keinerlei Strahlenbelastung darstelle, sei diese Methode für Patienten wie Operateure von Vorteil. Darüber hinaus erhofft sich Tobias Keck von den Robotik-Experten auch weiter verbesserte OP-Konsolen. An solchen Visualisierungs- und Steuerkonsolen arbeitet der Operateur mit kleinen Hebeln, die Roboter-Arme steuern, welche die eigentlichen OP-Instrumente präzise und zitterfrei führen.

Im Bereich der intraoperativen Bildgebung interessieren sich die Lübecker Chirurgen gegenwärtig besonders für eine zukunftweisende Verknüpfung der sogenannten „konfokalen“ Mikroskopie mit der in Lübeck bereits erforschten fluoreszierenden Wirkung des Kontrastmittels Indigocyaningrün (ICG). „Daraus kann und wird die In-vivo-Histologie der Zukunft entstehen“, erläutert Tobias Keck. Solche Konfokalmikroskope seien heute komplexe Scanning-Systeme, die scharfe und kontrastreiche Schnittbilder liefern, die dann übereinander gerastert werden, sodass ein genaues, gut interpretierbares Bild des betrachteten Gewebes entsteht. Mit dem Fluoreszenzeffekt von ICG könne dabei eine schnelle und klare Markierung bestimmter Strukturen erzeugt werden.

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Lübecker Intensivmediziner auf dem Weg zu intelligenten Assistenz-Systemen

Die Lübecker Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am UKSH entwickelt in Zusammenarbeit mit Medizinprodukte-Herstellern neue, intelligente Assistenz-Systeme. Das Klinik-Team von Professor Dr. Carla Nau beteiligt sich nicht nur in diesem Themenfeld an der „Industrie-in-Klinik-Plattform Lübeck“.

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Auf dem Lübecker UKSH-Campus werden in jedem Jahr über 40.000 operative Eingriffe durchgeführt. Über 4.000 Patienten müssen jährlich intensivmedizinisch versorgt werden und dabei auch zeitweise künstlich beatmet werden. Gerade in diesem sensiblen Feld der modernen Medizin kommt es auf die Qualität der verfügbaren Technologie wesentlich an. „Wir behandeln Hochrisiko- und kritisch kranke Patienten, deshalb versuchen wir, auch unsere Überwachungs- und Behandlungstechnologien im Sinne der Versorgungsqualität der Patienten ständig zu verbessern“, erklärt Prof. Nau, die seit 2013 die Lübecker Klinik leitet. Dazu arbeitet das Klinik-Team erfolgreich mit Medizintechnik-Herstellern und den technologischen Forschungseinrichtungen auf dem Lübecker BioMedTec-Campus zusammen.

Ein Beispiel für neue Entwicklungsperspektiven sind verbesserte Monitoringtechnologien für Beatmungsgeräte, die in Lübeck getestet werden sollen. Ein konkreter Anwendungsfall: Wenn der Intensivmediziner einen Patienten aus der künstlichen Beatmung zurück in die natürliche Eigenatmung führen will, bedient er sich heute normalerweise der Schritt-für-Schritt-Methode, das heißt: Er testet, wie der Patient auf schrittweise weniger zugeführte Atemunterstützung reagiert. Der Arzt verlässt sich in diesem Prozess auf seine Erfahrungswerte. „Zukünftig soll der Arzt durch Echtzeit-Messdaten eines intelligenten Monitoring-Gerätes unterstützt werden“, erläutert Carla Nau. „Neue Software- und Sensorik-Systeme machen es möglich, die Prozess-Sicherheit zu erhöhen, und zwar vollständig nicht-invasiv. Man kann sagen: Das Gerät berät den Arzt auf der Basis von ständig aktualisierten und rückgekoppelten physiologischen Messdaten und empfiehlt entsprechende Schritte der Beatmungs-Deeskalation.“

Solche Assistenz-Systeme sollen laut Nau in Zukunft noch weitaus „intelligenter“ werden. Gemeint ist hier die technologische Fähigkeit, die als Daten vorliegenden Informationen aus verschiedenen Geräten und aus der elektronischen Patientenakte zu einer sinnvoll-zielführenden Empfehlung für den behandelnden Intensivmediziner zu integrieren. „Was wir uns von diesem Big-Data-Thema mittelfristig erhoffen, ist zum Beispiel ein Monitoring-System mit Daten-Integrationsfunktion, das automatisch auf Gefahren hinweist, zum Beispiel auf die Entwicklung einer Lungenentzündung oder Sepsis, und das beispielsweise auch den Zeitraum bis zum Aufwachen aus der Narkose individuell vorhersagen kann“, so die Klinik-Chefin.

Ein anderes Zukunftsthema sieht die 47-Jährige in der technologischen Verbesserung von Simulatoren in der Mediziner-Ausbildung: „Ich wünsche mir für unseren Simulations- und Ausbildungs-OP eine Full-Scale-Puppe für das Intensivmedizin- und OP-Training, die ihre ‚physiologischen‘ Reaktionen auf die jeweiligen Notfallmaßnahmen der Trainierenden vollautomatisch realitätsnah steuern kann, in die also zum Beispiel auch ein Lungenmodell und ein Hämodynamikmodell integriert ist.“ Auch im Bereich der Telemedizin engagiert sich die Lübecker Klinik-Leiterin: „Die bundes- und weltweite Fern-Konsultation von Experten durch Experten mit sicheren Kamera-Übertragungssystemen kann und wird die Qualität von Diagnose und Behandlung erhöhen. Und warum sollte ein nur schwer beweglicher kranker Mensch nicht per Kamera am Bett in der Klinik oder zu Hause mit seinem Anästhesisten ein Aufklärungsgespräch führen können, wenn die körperliche Untersuchung bereits erfolgt ist?“, fragt Carla Nau, rein rhetorisch.

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Lübecker Dermatologen entwickeln Verfahren zur besseren Diagnostik und Therapie von Hautkrankheiten und Allergien

Das menschliche Immunsystem arbeitet nicht immer problemlos. Manchmal wendet es sich gegen im eigenen Körper befindliche Stoffe und produziert unerwünschte entzündliche Prozesse in sogenannten „Autoimmunerkrankungen“. Noch viel häufiger reagiert das Immunsystem in überschießender Weise auf von außen kommende Reizstoffe, man spricht dann von Allergien. Die medizinische Forschung arbeitet an neuen Verfahren, die eine individuelle Diagnostik und Therapie solcher Erkrankungen ermöglichen. Die Lübecker Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie (kurz: Hautklinik) am UKSH entwickelt in Zusammenarbeit mit Medizinprodukte-Herstellern neue Nachweis- und Behandlungstechniken auf diesen Gebieten. Das Klinik-Team von Professor Dr. Detlef Zillikens beteiligt sich in diesem Themenfeld an der „Industrie-in-Klinik-Plattform Lübeck“.

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Vor einem neuen Färbeautomaten im Labor: (v. r.) Prof. Detlef Zillikens, Prof. Karin Hartmann, Prof. Enno Schmidt

„Hautkrankheiten und Allergien beeinträchtigen die Lebensqualität unserer Patienten oft erheblich. Wir entwickeln deshalb ständig neue Verfahren für eine bessere Erkennung von spezifischen, das Krankheitsbild erzeugenden Antikörpern im Körper eines Patienten“, erklärt der Klinik-Leiter. Dabei setzt Zillikens auf eine enge Kooperation mit Herstellern von Laborgeräten und Labordiagnostika. „Von unserer Seite kommen gut charakterisierte Patienten-Daten und -Proben aus unserer wachsenden Biobank und später die Möglichkeit der umfassenden klinischen Validierung. Die Hersteller bringen die Expertise ein für die Produktion von geeigneten, sensitiven und spezifischen Nachweisstoffen und von neuen Geräten zur standardisierten, automatischen Bearbeitung von Gewebeproben und Seren“, erläutert Professor Dr. Dr. Enno Schmidt, Direktor des Lübecker Institut für Experimentelle Dermatologie.

Professor Dr. Karin Hartmann hat sich auf das Thema Allergien spezialisiert. „Allergien werden weltweit immer häufiger, aber die Menschen reagieren regional auf ganz unterschiedliche Allergene, sodass hier ein weites Forschungs- und Entwicklungsfeld vor uns liegt“, berichtet die Leiterin der Allergieabteilung der Hautklinik. Die Lübecker Experten arbeiten gegenwärtig unter anderem an der Testung und Validierung sogenannter „rekombinanter Allergene“ (also künstlich hergestellter allergener Eiweiße) für den Einsatz in einem in der Entwicklung befindlichen „Random-Access-Automaten“. Dieser Automat soll zukünftig die automatische Analyse von Antikörpern im Serum (des Patientenblutes) ermöglichen. Dabei kommt eine spezielle „Beads“-Technologie zum Einsatz: Mit den in bestimmter Weise beschichteten magnetischen Träger-„Kügelchen“ wird es möglich, Blut auf gleich mehrere Allergene gleichzeitig und unabhängig voneinander zu analysieren. „Das macht diese Technologie mit ständiger Zugriffsmöglichkeit nicht nur praktischer bei der täglichen Laborarbeit und präziser hinsichtlich der Ergebnisse, sondern auch schneller und wirtschaftlicher für das Labor“, betont Professor Schmidt.

Bei einer Gruppe von weniger verbreiteten Hautkrankheiten haben die Lübecker Hautärzte bereits mehrere neue Behandlungssysteme gefunden, die auch kommerziell erhältlich sind und erfolgreich eingesetzt werden. Bei den „bullösen“ (blasenbildenden) Autoimmundermatosen handelt es sich um eine Gruppe von Autoimmunkrankheiten, die Professor Zillikens als „Rheuma an der Haut“ beschreibt. „Wir konnten hier in den letzten Jahren nicht nur Nachweise von diversen auslösenden Autoantikörpern im Hautgewebe beziehungsweise im Blutserum der Patienten finden, sondern für einige dieser Autoantikörper auch Adsorber- oder Reinigungsverfahren entwickeln, die diese schädlichen Autoantikörper wirksam aus dem Blut entfernen “, so der Klinikchef. Weitere spezifisch wirksame Adsorbersysteme seien in der Entwicklung. In diesem Zusammenhang validieren Professor Zillikens und sein Team für einen Hersteller gegenwärtig auch einen neuen Färbeautomaten für Gewebeschnitte (Bild), der die Laborarbeit weiter beschleunigen und optimieren soll.

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Lübecker Gynäkologen entwickeln innovative Lokalisationsverfahren bei minimal-invasiven Operationen

Mehr als 800 Mal pro Jahr operieren die Ärzte der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe des UKSH mit der „Schlüssellochtechnik“ der Laparoskopie. Das Team von Klinikdirektor Professor Dr. Achim Rody beteiligt sich in diesem Themenfeld an der „Industrie-in-Klinik-Plattform Lübeck“. Ein besonderes Augenmerk legen die Lübecker Kliniker dabei auf die Zusammenarbeit mit Medizintechnik-Herstellern bei der Entwicklung verbesserter Lokalisationsverfahren und -instrumente für die minimal-invasiven Operationen insbesondere im onkologischen Bereich.

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Prof. Achim Rody zeigt sein tägliches Arbeitsgerät: ein Endoskop an einem im OP verwendeten Laparoskopie-Turm.

„Als Gynäkologen stehen wir im laparoskopischen Bereich ohnehin immer an der Spitze der technischen Entwicklung; schließlich war es Anfang der 80er Jahre mit Kurt Semm auch ein deutscher Gynäkologe, der dieses Verfahren als sogenannte ‚Pelviskopie‘ nicht nur für die Diagnose, sondern auch chirurgisch eingesetzt hat“, erzählt Professor Rody. Inzwischen habe sich die endoskopische Technologie erheblich weiterentwickelt, stoße aber gerade im Bereich der präzisen Lokalisation etwa von Tumoren während der Operation auch gelegentlich an ihre Grenzen. „Mit neuen optischen Verfahren und Technologien sind wir heute auf dem Weg, Tumoren oder andere kranke Gewebeteile auch intraoperativ noch exakter erkennen zu können, damit wir so wenig Gewebe wie möglich, aber so viel wie nötig entfernen können“, erläutert Rody das Entwicklungsziel in der Kooperation mit Technologie-Herstellern.

Ein Beispiel ist die in der Frauenheilkunde regelmäßig durchgeführte Entfernung von Lymphknoten bei Brustkrebs und bösartigen Tumoren des weiblichen Genitals. Hier erforschen die Spezialisten am zertifizierten Lübecker Krebszentrum eine Möglichkeit, den sogenannten „Wächterlymphknoten“ besser als bisher zu identifizieren. Der „Wächter“ ist der erste in der Abflussbahn der Tumor-Lymphflüssigkeit liegende Knoten. „Mithilfe der fluoreszierenden Wirkung des Kontrastmittels Indigocyaningrün erhalten wir einen gegenüber dem gängigen Mittel ‚Patentblau‘ oder gegenüber dem Einsatz von radioaktiven Markierungsstoffen klarer umrissenen Lymphknoten, der präzise entfernt werden kann und muss. Aber die umliegenden Knoten können bei Nichtbefall erhalten bleiben“, erklärt der erfahrene Operateur, der seit 2012 die Lübecker Frauenklinik leitet. So könnten Nerven sicher geschont und Lymphödeme vermieden werden.

Die gezielte Lokalisation und Verfolgung von Tumoren und anderen Gewebe-Herden während der Operation kann mit verschiedenen Geräte-Technologien verbessert werden. So arbeitet das Rody-Team unter anderem an der Entwicklung eines im Körper anwendbaren fokussierten Ultraschalls, mit dem die sogenannten „Myome“ (zumeist gutartige Gebärmutter-Muskeltumoren mit breitem Beschwerdebild) präziser und schonender als bisher verödet werden können. Bei der Behandlung der schmerzhaften „Endometriose“ (gebärmutterschleimhautähnliches Gewebe außerhalb der Gebärmutterhöhle) geht es zunächst darum, das in Form und Farbe heterogene Erscheinungsbild des „falschen“ Gewebes mit optischen Verfahren klarer darstellbar zu machen. „Dies kann möglicherweise in Verbindung mit der optischen Kohärenztomographie oder mit einer anderen neuen Bildgebungstechnik wie dem ‚narrow band imaging‘ mit seiner spezifischen Gewebeautofluoreszenz gelingen“, formuliert der Klinikchef vorsichtig.

Aktuell bereits im Aufbau ist ein 3D-Laparoskopie-Geräte-Turm. „In Zusammenarbeit mit einem Hersteller bekommen wir hier einen gegenüber dem bisherigen 2D-Bildstandard erheblich verbesserten Bildeindruck, sodass wir beim Operieren, speziell beim Setzen von Nähten, tatsächlich räumlich sehen und navigieren können“, freut sich Achim Rody, der zurzeit auch an einem Vergleich der 3D-Technik mit der neuen hochauflösenden „4K“-Monitortechnologie arbeitet. Diese und andere Geräte, darunter zum Beispiel eine neu entwickelte Ultraschallschere, werden jetzt in Lübeck erprobt. Für die Zukunft erwartet Rody gerade für die gynäkologische Onkologie ein „Arbeiten unter Sicht“, womit gesagt ist: Identifikations-, Lokalisations- und Visualisierungstechnologien werden so weit verbessert werden, dass neben der Operation auch die medikamentöse Behandlung bildgebend nachvollzogen werden kann. „Ich möchte noch zu meiner aktiven Zeit den Tumor regelrecht am Bildschirm verschwinden sehen können“, blickt der 46-Jährige einige Jahre voraus.

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Campus-Werkstätten als Entwicklungsdienstleister für Medizintechnik-Hersteller

Die Forschungs- und Versuchswerkstätten auf dem Lübecker Hochschulcampus vernetzen sich. Gemeinsam beteiligen sie sich an der „Industrie-in-Klinik-Plattform Lübeck“ und stellen ihre Dienstleistungen als Entwicklungspartner für Medizintechnik-Hersteller zur Verfügung. Die Koordination übernimmt das Fabrikationslabor („FabLab“) von Technikzentrum und UniTransferKlinik, das sich mit seinen Campus-Partnern damit zum „Medical FabLab“ weiterentwickelt.

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In den Campus-Werkstätten werden unter anderem Forschungsmodelle und Prototypen gebaut. Hier präsentieren einige Werkstattleiter stellvertretend eine Reihe von Modellen der menschlichen Aorta. V.l.n.r.: Dennis Wendt (FraunhoferEMB), Alexander Mildner (FabLab TZL), Reinhard Schulz (Wissenschaftliche Werkstatt Feinmechanik der Universität), Dirk Steinhagen (Institut für Medizintechnik der Universität),

In der Forschungs- und Entwicklungsarbeit geht es gerade in der Medizintechnik nach der Ideen- und Konzeptionsphase häufig darum, neue Geräte-Bauteile oder Prototypen für weitere Tests herzustellen. Hier kommen die Forschungs- und Versuchswerkstätten auf dem Campus ins Spiel, die eine Vielzahl von Fertigungsmöglichkeiten anbieten. „Wir ermöglichen das Rapid Prototyping mit modernen 3D-Druckern ebenso wie die konventionelle Herstellung von großen Teilen mithilfe von CNC-gesteuerten Fräsen oder von kleinen Teilen mittels feinmechanischer Präzisionsgeräte“, beschreibt Alexander Mildner als Koordinator und FabLab-Leiter die Angebotsbandbreite des neuen, hochschul- und einrichtungsübergreifenden Werkstatt-Netzwerkes.

In den neun beteiligten Campus-Werkstätten stehen modernste Geräte zur Verfügung, darunter verschiedene 3D-Drucker mit Verfahren für unterschiedliche Materialien und Bauteileigenschaften, CNC-Fräsen, CNC-Drehmaschinen, Lasercutter und Laser zur Mikromaterialbearbeitung, 3D-Scanner, Biegemaschinen, Schweißgeräte, Lackierkabine, Säge- und Schleifmaschinen und viele mehr. „Auch für den Elektronik-Bereich sind wir gut ausgestattet, sodass zum Beispiel Layout und Fertigung elektronischer Schaltungen oder Komponenten hier möglich sind“, erläutert Alexander Mildner.

Dabei legt der 30-jährige Maschinenbau-Ingenieur Wert darauf, dass mit dem Medical FabLab ein spezielles Konzept hochschulnaher, teiloffener High-Tech-Werkstätten umgesetzt wird: „So können Hersteller, mit denen wir in Projekten zusammenarbeiten, von der Kreativität und Arbeitsroutine von Mitarbeitern und Studierenden auf unkomplizierte Weise profitieren und schnell zu präsentablen Bauteil-, Prototyp- oder auch Kleinserien-Ergebnissen kommen.“ Kompetente Beratung bis hin zur Mitentwicklung etwa des Produktdesigns und die Schulung externer Maschinen-Nutzer gehörten dabei zum Angebot des Medical FabLab stets dazu. „Nicht zuletzt haben wir Know-how und Erfahrung in Sachen Normenkonformität und Qualitätssicherung, was gerade im Medizinproduktebereich von großer Bedeutung ist und uns die sogenannte Eigenherstellung für klinische Validierungsverfahren ermöglicht“, so Mildner.

Das junge Medical FabLab Lübeck ist bereits in einigen Produktbereichen als Partner von Herstellern und Kliniken tätig. So wurden beispielsweise aus vorliegenden medizinischen Bilddaten diverse 3D-Modelle erstellt und gedruckt. Eine menschliche Aorta wurde in verschiedenen Härten für die Verwendung in der klinischen Forschung gedruckt. (s. Bild) Der Prototyp eines Gerätes für Schärfe- und Kontrastsichtmessungen wurde im Hinblick auf Bauteildesign und Fertigungsoptimierung begleitet. Und es wurden Mikroskop-Probenplättchen per Laser im Mikrobereich graviert und perforiert.

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Lübecker Radiologen als Entwicklungspartner für Medizintechnik-Hersteller

Die Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin der Universität zu Lübeck beteiligt sich zusammen mit anderen Kliniken des UKSH an der „Industrie-in-Klinik-Plattform Lübeck“. Klinik-Direktor Professor Doktor Jörg Barkhausen sieht die Radiologie als „natürlichen Partner der Medizintechnik-Hersteller“.

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„Insbesondere die Themenfelder Bildgebung, bildgesteuerte Intervention und automatische Bildverarbeitung bilden die Schnittmenge, in der unsere tägliche klinische und forschende Arbeit sich mit den Entwicklungsanstrengungen der Hersteller trifft“, formuliert Barkhausen, der über vielfältige Industrie-Kontakte verfügt. Ziel sei es für beide Partner stets, die bestmögliche radiologische Diagnostik und Therapie in möglichst effizienten Prozessen zur Verfügung zu stellen. Beispielsweise geht es in der Zusammenarbeit um die weitere Verbesserung von Geräten wie Magnetresonanztomografen, um die Steigerung der Effizienz von Bildverarbeitungs- und Auswertungssoftware oder um die Evaluation von neuen Methoden und optimierten Prozessen in der klinischen Routine. „Wir helfen den Herstellern dabei, mögliche Probleme frühzeitig zu erkennen und anwendungsnahe Lösungen zu erarbeiten. Dazu wirken wir an Konzept- und Machbarkeitsstudien ebenso mit wie bei Validierung und Erprobung von Methoden und Geräten“, so der Klinikchef.

Als Leitkompetenz der Lübecker Radiologie sieht der 49-Jährige den Bereich der Magnetresonanztomografie (MR/MRT): „Hier bieten wir den Herstellern eine ebenso breite wie tiefe Expertise und umfassende, langjährige Erfahrung für eine konstruktive Zusammenarbeit an. Neben innovativen Lösungen für klinische Fragestellungen können wir eine Vielzahl von strukturiert erhobenen Daten zur Prozessqualität und Effizienz in der klinischen Routine zur Verfügung stellen.“ Die Klinik ist durchgängig digitalisiert und seit kurzem auch für den Bereich der Prozesse nach DIN ISO 9001 qualitätszertifiziert. „Darüber hinaus versuchen wir immer, das ökonomische Gesamtsystem Klinik und den Gesamterfolg für den einzelnen Patienten in diesem System im Blick zu behalten. Hierzu werden zukünftig noch weitere Prozess-Daten erhoben und nach geeigneten Standards ausgewertet werden müssen“, blickt der Radiologe über den Horizont seiner Klinik hinaus in die Zukunft.

Ein typisches MR-technisches Entwicklungsziel ist es laut Barkhausen aus klinischer Sicht, Bewegungsartefakte in MRT-Bildern besser als bisher softwaretechnisch korrigieren zu können. An der Lübecker Radiologie-Klinik wurden aber auch über die rein morphologische Darstellung hinaus gehende Erfahrungen mit der sogenannten „Phasenkontrasttechnik“ zur nicht invasiven, quantitativen Bestimmung von Flussmengen und Volumina oder zur lokalen Druckmessung bei der MRT-Untersuchung des Herzens und des Gefäßsystems gesammelt, die internationale Aufmerksamkeit erhielten.

Eine weitere zukunftsorientierte Technologie, mit der die Radiologen in Lübeck sich in Zusammenarbeit mit mehreren Forschern der Lübecker Universität beschäftigen, ist das „Magnetic Particle Imaging“ (MPI). Mit der Magnetpartikelbildgebung sollen ohne Strahlenexposition noch schnellere und noch präzisere Bilder des Gefäßsystems möglich werden. „Wir entwickeln in einem Projekt mit einem Hersteller diese Technologie weiter in Richtung auf klinische Anwendbarkeit in einem MPI-Patienten-Scanner. Außerdem versuchen wir, geeignete Katheter oder Nadeln mitzuentwickeln, die im MPI-Bild sichtbar sind“, so Jörg Barkhausen.

Aber die moderne Radiologie ist nicht mehr eine „nur“ diagnostische Disziplin. Auch im therapeutischen oder interventionellen Bereich ist die Radiologie ein wichtiger Motor für Innovationen. Die Lübecker Radiologie hat hier zum Beispiel langjährige Erfahrungen mit der Implantation individueller Stentprothesenimplantate, mit denen etwa ein Bauch-Aorten-Aneurysma ausgeschaltet werden kann. „Basierend auf den Ergebnissen der Computertomografie werden die Implantate individuell angefertigt und dann unter angiografischer Kontrolle durch einen interventionellen Radiologen positioniert“, erklärt der Klinik-Leiter.

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Muster erkennen in medizinischen Daten

Jeder Besitzer eines Smartphones erfährt heute alltäglich die Fortschritte, die in den letzten Jahren in der Sprach- und Handschriften-Erkennung gemacht wurden. Solche technischen Erfolge werden vor allem durch die Technologie der „Mustererkennung“ in der Neuroinformatik ermöglicht. Das Lübecker Institut für Neuro- und Bioinformatik (INB) forscht schwerpunktmäßig in diesem Bereich und entwickelt gemeinsam mit Unternehmenspartnern Anwendungen für den klinischen Einsatz. Das INB beteiligt sich gegenwärtig auch am Projekt „Industrie-in-Klinik-Plattform Lübeck“.

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Prof. Thomas Martinetz (links) und Prof. Erhardt Barth beschäftigen sich mit neuronalen Netzen (Hintergrund) und darauf basierenden Zukunftstechnologien.

Die Neuroinformatiker orientieren sich am Vorbild der Natur, nämlich dem Gehirn mit seinem komplexen neuronalen Netzwerk. In ihren Modellen bauen sie mit sogenannten „künstlichen Neuronen“ (also mit rein mathematischen Elementen) algorithmische „neuronale Netze“ auf, die im Prinzip wie ein biologisches Nervensystem rechnen und lernen können. Die Schrift- oder Spracherkennung von Smartphones basiert auf diesem Prinzip. Hier wird bei allem Variantenreichtum der möglichen Aussprachen oder Handschriftlinien zum Beispiel eines Wortes inzwischen recht zuverlässig das gemeinte „Muster“ erkannt, das dann als Wort auf dem Display erscheint.

„Die besondere Stärke unserer Neuroinformatik-Modelle und der entsprechend programmierten Anwendungsalgorithmen liegt darin, dass in vorliegenden, oft großen Datenmengen sehr schnell und treffsicher Muster erkannt, ausgewertet und zur Weiterverarbeitung zur Verfügung gestellt werden können“, erklärt Professor Thomas Martinetz das technologische Erfolgsrezept bei der Arbeit am INB, das er leitet. „So ist es zum Beispiel im klinischen Zusammenhang möglich, Augenbewegungen von Patienten in Echtzeit zu verfolgen beziehungsweise zu analysieren oder aus der Vielzahl von vorhandenen medizinischen Bilddaten die für Diagnose und Therapie relevanten Muster herauszufiltern“, ergänzt Professor Erhardt Barth, der das INB mit aufgebaut hat. Auch für neue „Smart Alarm Systeme“ in der Klinik oder beim Patienten zu Hause brauche man entsprechende Software, die aus den vielen bei der Überwachung ermittelten Messwerten mit großer Sicherheit das bestimmte Muster ermittelt, das dann zum sinnvollen Auslösen eines Alarms führt.

Eines der Verfahren aus dem INB ist gegenwärtig im Bereich der Labordiagnostik bereits im industriellen Einsatz: Hier werden Mikroskopbilder vollautomatisch ausgewertet. Eine andere Software aus dem Institut sorgt bei einem Industriekunden dafür, dass das vorhandene Gewebe bei der Bestückung von Biochips optimal verwertet wird. „Aktuell arbeiten wir an einer Machbarkeitsstudie zum Thema der automatisierten Auswertung von Sensordaten im Hinblick auf die Gerätesteuerung bzw. -regelung bei Beatmungsgeräten“, verrät Thomas Martinetz. Der 53-Jährige sieht seine Arbeit nicht nur als reine Forschung, sondern blickt immer auch auf die Anwendung: „Wir sind Entwicklungspartner der Hersteller, können als Dienstleister bei Bedarf auch komplette Software-Systemkomponenten für medizintechnische Geräte bauen.“ Für die Zukunft erwartet der Neuroinformatiker weitere Anwendungserfolge unter anderem im Bereich der Gestensteuerung: „In Verbindung mit einer bestimmten Kameratechnik sind unsere Algorithmen hier bereits auf dem Weg in das Auto von morgen. Mit kleinen, natürlichen Gesten der Hand, wie sie dort verwendet werden, lassen sich aber zum Beispiel auch Geräte im OP besser steuern als per Tastatur, Maus oder Touchscreen.“

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Medizintechnik optimal regeln

An der Lübecker Universität gibt es seit diesem Jahr ein Institut, das sich speziell mit den elektrotechnischen Aspekten der Medizintechnik befasst. Ein Schwerpunkt ist die Entwicklung und Erprobung neuer, ganzheitlicher Regelungssysteme in Zusammenarbeit mit Medizintechnik-Herstellern. Das Institut für Medizinische Elektrotechnik (IME) arbeitet mit am Aufbau des Projektes „Industrie-in-Klinik-Plattform Lübeck“.

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Professor Philipp Rostalski leitet das neue Institut. Der promovierte Ingenieur beschäftigt sich unter anderem mit Assistenzsystemen im Bereich der Steuerung und Regelung von Beatmungsgeräten. „Die Regelkreis-Prinzipien unserer Arbeit lassen sich aber auf alle medizinischen und technischen Bereiche anwenden“, erläutert der 37-Jährige. Rostalski und sein Team modellieren mit mathematischen Methoden technische und physiologische Systeme. Es geht darum, Verfahren zu entwickeln, mit denen man auch komplexe, dynamische Systeme optimal regeln kann. Solche Regelungsverfahren umfassen insbesondere Software, Sensoren und Aktuatoren. Die so gesteuerten Systeme sind dann in der Lage, sich ständig an neue Gegebenheiten anzupassen, sich selbst jederzeit „nachzuregeln“ und dabei in gewissem Sinne zu lernen. Rostalski vergleicht seinen dynamischen Regelungsansatz gern mit den Assistenzsystemen im Automobilbereich: „Ein ABS oder ESP im Auto wertet auch kontinuierlich aus, was Fahrwerk und Bremse gerade tun, um dann im richtigen Moment eingreifen und nachregeln zu können. Unsere ganzheitlichen, technischen und physiologischen Modelle sind allerdings deutlich komplexer. Sie haben eine große Zahl von unsicheren Parametern zu berücksichtigen und in die Regelung zu integrieren.“

Diese Modelle und Verfahren helfen dann in der Praxis dem dynamischen System „Mensch“, zum Beispiel wenn es um die automatische Überwachung der Körpertemperatur bei einer Operation geht. „Vorstellbar und mit unseren Methoden relativ leicht realisierbar wäre es hier, eine vollautomatische unterstützende Temperaturregelung in eine neue Generation von OP-Tischen einzubauen“, veranschaulicht der Regelkreis-Experte konkrete Anwendungsperspektiven seiner Forschung.

Mit der am IME entwickelten Technologie können auch die erweiterten Regelungsprozesse „am Menschen“ optimiert werden, etwa wenn entsprechend geregelte Überwachungsgeräte oder chirurgische Instrumente sich automatisch bestmöglich auf eine veränderte Lage (zum Beispiel während einer Operation) einstellen. „Für solche Assistenzsysteme und andere Robotik- oder Mechatronik-Anwendungen sind diese Verfahren wie geschaffen“, erklärt Rostalski.

Und natürlich können auch die rein technischen Regelprozesse mit Rostalskis Ansatz verbessert werden, beispielsweise wenn es in der Labordiagnostik um die effizienteste Lösung für die möglichst störungsfreie Steuerung und Regelung von Geräten für automatisierte Labortests (zum Beispiel mit Flüssigproben-Messgeräten) geht. Darüber hinaus ermöglichen die Algorithmen des IME-Teams auch die realistische Simulation von Medizingeräte-Tests, so Rostalski: „Ein ganzheitliches Simulationssystem für die menschliche Atmung befindet sich derzeit in der Entwicklung. Es hilft unseren Industriepartnern beim Entwerfen und frühzeitigen Testen neuer Beatmungsalgorithmen.“

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Lübecker Laserzentrum als Entwicklungspartner für Medizintechnik-Unternehmen

Optische Technologien und Laser sind aus der modernen Biomedizintechnik nicht mehr wegzudenken und werden für unterschiedlichste Aufgaben eingesetzt. Mess- und Bildgebungstechniken, aber auch optische Prozesskontrolle sind hochaktuelle Themen. Das Medizinische Laserzentrum Lübeck GmbH (MLL) als gemeinnützige Entwicklungsgesellschaft auf dem Hochschulcampus arbeitet auf diesem Gebiet seit nunmehr fast 30 Jahren. Die Laserexperten sind in vielen öffentlich geförderten Forschungs­projekten und im Auftrag von Medizintechnik-Herstellern engagiert, aktuell auch im Projekt „Industrie-in-Klinik-Plattform Lübeck“.

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MLL-Geschäftsführer Dr. Ralf Brinkmann (links) und Doktorand Christian Buj forschen und entwickeln an Lasertechnologien.

Geschäftsführer Doktor Ralf Brinkmann bezeichnet sich und sein Team gern als „Biophotonik“-Experten. Das Wort setzt sich aus den altgriechischen Bestandteilen „Bio(s)“ für „Leben“ und „Photos“ für „Licht“ zusammen. „Wir bieten den Herstellern und unseren Partnern eine breite und tiefe Expertise in Sachen biomedizinischer Anwendungen von Optik und Lasertechnologie und richten dabei unseren Blick stets auf konkrete Anwendungen in der klinischen Praxis, in biologischen Laboren oder für die Fertigung von Produkten“, erläutert der Physiker. Darüber hinaus habe das 1986 an der damaligen Medizinischen Universität gegründete Laserzentrum auch Know-how und Erfahrung in der Mikromaterial­bearbeitung mit Lasern und im normenkonformen Funktionsmusterbau aufzuweisen. „In diesen und angrenzenden Bereichen sind wir gefragte Entwicklungs- und Erprobungspartner für Unternehmen“, fasst Brinkmann zusammen.

Ein Arbeitsschwerpunkt des Laserzentrums und des eng kooperierenden Instituts für Biomedizinische Optik (BMO) der Universität zu Lübeck liegt im Bereich der Optischen Kohärenztomografie (OCT), eines neuen bildgebenden Verfahrens. Die OCT wird häufig auch als „Ultraschalluntersuchung mit Licht“ bezeichnet, da sie durch Auswertung von Lichtechos feinste Gewebestrukturen in Schnitt- und Volumenbildern darstellen kann. „Obwohl man mit Licht aufgrund der starken Gewebestreuung normalerweise nur die Oberfläche sieht, kann man mit dieser Technik bis zu zwei Millimeter tief in Gewebe hineinschauen. Insbesondere zur Diagnostik der Netzhaut am Augenhintergrund ist die OCT alternativlos und hat sich zu einem Standardverfahren entwickelt, das mittlerweile in fast allen augenärztlichen Praxen zu finden ist“, erklärt Brinkmann.

Zukünftig könne man mit neuer Hochgeschwindigkeits-OCT, wie sie in der BMO-Arbeitsgruppe von Professor Robert Huber entwickelt wird, Gewebe dreidimensional mit sogenannter „Videorate“ darstellen. Die Bilder können so zum Beispiel während einer Operation in das Mikroskop des Arztes eingespiegelt werden und ihm in Echtzeit Blicke in das Innere des Gewebes vermitteln. Die andere BMO-Arbeitsgruppe von Dr. Gereon Hüttmann konnte aktuell die Ausbreitung des Pulsschlages an Gefäßen im Auge beobachten. So lassen sich altersbedingte Verände­rungen der Gefäßsteifigkeit messen, die wichtige Rückschlüsse auf das gesamte Herz-Kreislauf-System zulassen.

Insgesamt sieht Brinkmann vielfältige Anwendungsmöglichkeiten der OCT auch in industrieller Fertigung und optischer Prozesskontrolle. Die Entwicklungswerkstatt MLL arbeitet für verschiedene Hersteller auch an äußerst präziser Mikromaterialbearbeitung. So werden Mikrolöcher in Diffusionsmembranen geschossen und dünnste Glasträger im Glasinneren berührungslos markiert, sodass sie unabhängig von weiterer Verarbeitung der aufliegenden Präparate unverwechselbar markiert sind. „Dieses senkt Fehlerraten und Kosten in der medizinischen Labordiagnostik“, erläutert Brinkmann.

Ein weiteres vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördertes Projekt, das am MLL unter Beteiligung zweier Lübecker Unternehmen und des Forschungszentrums Borstel gerade begonnen wurde, befasst sich mit der Atemgasanalyse. Die zusammengeführten Technologien von Laserspektroskopie und Photoakustik sollen hier geringste Mengen charakteristischer Moleküle, die auf Lungenkrebs schließen lassen, im Atemgas nachweisen. Sollte die Methodik erfolgreich sein, könnte eine einfache, den Patienten nicht belastende Atemgasanalyse als Screening zur Krebsfrüherkennung Realität werden. „Bis dahin“, so Ralf Brinkmann, „wird jedoch noch viel Wasser die Trave hinabfließen. Wir sind aber optimistisch, dass wir in unserem Forschungsverbund die Grundlagen für dieses hochhängende Ziel legen können.“

Info: www.mll-luebeck.de