Auf dem Lübecker Hochschulcampus gibt es eine Reihe von forschenden und entwickelnden Informatik-Einrichtungen, die sich mit Medizinprodukte-Entwicklungen befassen und ihr spezielles Know-how in die „Industrie-in-Klinik-Plattform Lübeck“ einbringen. Das Uni-Institut für Softwaretechnik und Programmiersprachen (ISP) arbeitet hier besonders an innovativen Verfahren zur Software-Überwachung, die den Geräteherstellern dabei helfen können, standard- und normenkonforme Produkte schneller in den Markt zu bringen.
Bei Entwicklung und Betrieb von medizintechnischen Geräten spielen Sicherheitsanforderungen eine große Rolle: Fällt zum Beispiel ein Beatmungsgerät während einer Operation aufgrund eines Hard- oder Software-Fehlers aus, ist das für den Patienten sofort eine lebensbedrohliche Situation. Die Hersteller solcher Geräte müssen ihre Produkte daher nach strengen Normen entwickeln, testen und zulassen. Bei jedem dieser drei Schritte auf dem Weg von der Produktidee zum Markt ist die softwareseitige Qualitätssicherung von erheblicher Bedeutung. Das Lübecker ISP unterstützt und berät Geräte-Hersteller in allen Phasen und mit Blick auf den gesamten anfallenden Datenverarbeitungsprozess. Zum Einsatz kommen hier neben klassischen Testmethoden auch innovative (agile) Software-Entwicklungsmethoden, mit deren Hilfe die zu entwickelnden, zu testenden und zuzulassenden Geräte deutlich schneller vollständig normenkonform und damit marktreif gemacht werden können.
Professor Martin Leucker vom ISP bei der Arbeit an einer Monitoring-Software
Technisch geht es dabei zum Beispiel darum, Fehlerfreiheit möglichst so herzustellen, dass sie ohne Eingriffe in die laufenden Softwareprozesse beim Testen und Betreiben eines Gerätes oder Systems auskommt. Denn jeder Eingriff in das Laufzeitverhalten ist selbst ja wieder eine potenzielle Fehler- oder Störungsquelle. Professor Martin Leucker nennt dieses Vorgehen in Anlehnung an den medizinischen Sprachgebrauch eine „nicht-invasive“ dynamische Echtzeit-Analyse nach der griffigen Leitformel: „Run what you test, and test what you run.“
Leucker ist Leiter des ISP und mit seinem Team spezialisiert auf solche neuen Software-Kontroll- oder „Verifikationstechniken“ mittels so genannter „formaler“ Methoden. Dazu gehören unter anderem Programme, die aufgezeichnete Log-Daten einer Geräte-Software automatisch auswerten, auf Fehler analysieren und so „verifizieren“. Eine solche Monitoring-Software aus Lübeck ist bereits bei großen Herstellern im klinischen Einsatz.
„Aber wir sind mit unseren Algorithmen für automatisches Monitoring jetzt noch weiter gekommen: Wir analysieren die Datenverarbeitungsprozesse nicht mehr nur im Nachhinein anhand der ausgewählten, tatsächlich protokollierten Log-Daten. Vielmehr können wir wirklich alle im Betrieb anfallenden Daten in einem Gerät oder in einem vernetzten System begleitend in Echtzeit beobachten und automatisch auswerten“, erklärt der Experte. Die Kontroll-„Monitore“ erzeugen sich Leucker zufolge softwaretechnisch automatisch selbst im System und müssen nicht von außen als Programme oder Skripte eingespielt und wieder abgezogen werden, sodass hier keine neuen Fehlerrisiken entstehen. „Wir greifen dazu einfach mit einem speziellen, sozusagen ‚nicht-invasiven‘ Monitoring-Board auf das zu analysierende Gerät zu. Dieser Ansatz macht das Entwickeln und Testen von Geräten effizienter und damit schneller“, erläutert der 44-Jährige. Das neue System wird gegenwärtig bei einem Hersteller getestet, der seine nächste Geräte-Generation mit einer Anschlussmöglichkeit für das Lübecker Monitoring-Board versehen will.
(rwe)