Archiv für den Monat: November 2015

Medizintechnik optimal regeln

An der Lübecker Universität gibt es seit diesem Jahr ein Institut, das sich speziell mit den elektrotechnischen Aspekten der Medizintechnik befasst. Ein Schwerpunkt ist die Entwicklung und Erprobung neuer, ganzheitlicher Regelungssysteme in Zusammenarbeit mit Medizintechnik-Herstellern. Das Institut für Medizinische Elektrotechnik (IME) arbeitet mit am Aufbau des Projektes „Industrie-in-Klinik-Plattform Lübeck“.

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Professor Philipp Rostalski leitet das neue Institut. Der promovierte Ingenieur beschäftigt sich unter anderem mit Assistenzsystemen im Bereich der Steuerung und Regelung von Beatmungsgeräten. „Die Regelkreis-Prinzipien unserer Arbeit lassen sich aber auf alle medizinischen und technischen Bereiche anwenden“, erläutert der 37-Jährige. Rostalski und sein Team modellieren mit mathematischen Methoden technische und physiologische Systeme. Es geht darum, Verfahren zu entwickeln, mit denen man auch komplexe, dynamische Systeme optimal regeln kann. Solche Regelungsverfahren umfassen insbesondere Software, Sensoren und Aktuatoren. Die so gesteuerten Systeme sind dann in der Lage, sich ständig an neue Gegebenheiten anzupassen, sich selbst jederzeit „nachzuregeln“ und dabei in gewissem Sinne zu lernen. Rostalski vergleicht seinen dynamischen Regelungsansatz gern mit den Assistenzsystemen im Automobilbereich: „Ein ABS oder ESP im Auto wertet auch kontinuierlich aus, was Fahrwerk und Bremse gerade tun, um dann im richtigen Moment eingreifen und nachregeln zu können. Unsere ganzheitlichen, technischen und physiologischen Modelle sind allerdings deutlich komplexer. Sie haben eine große Zahl von unsicheren Parametern zu berücksichtigen und in die Regelung zu integrieren.“

Diese Modelle und Verfahren helfen dann in der Praxis dem dynamischen System „Mensch“, zum Beispiel wenn es um die automatische Überwachung der Körpertemperatur bei einer Operation geht. „Vorstellbar und mit unseren Methoden relativ leicht realisierbar wäre es hier, eine vollautomatische unterstützende Temperaturregelung in eine neue Generation von OP-Tischen einzubauen“, veranschaulicht der Regelkreis-Experte konkrete Anwendungsperspektiven seiner Forschung.

Mit der am IME entwickelten Technologie können auch die erweiterten Regelungsprozesse „am Menschen“ optimiert werden, etwa wenn entsprechend geregelte Überwachungsgeräte oder chirurgische Instrumente sich automatisch bestmöglich auf eine veränderte Lage (zum Beispiel während einer Operation) einstellen. „Für solche Assistenzsysteme und andere Robotik- oder Mechatronik-Anwendungen sind diese Verfahren wie geschaffen“, erklärt Rostalski.

Und natürlich können auch die rein technischen Regelprozesse mit Rostalskis Ansatz verbessert werden, beispielsweise wenn es in der Labordiagnostik um die effizienteste Lösung für die möglichst störungsfreie Steuerung und Regelung von Geräten für automatisierte Labortests (zum Beispiel mit Flüssigproben-Messgeräten) geht. Darüber hinaus ermöglichen die Algorithmen des IME-Teams auch die realistische Simulation von Medizingeräte-Tests, so Rostalski: „Ein ganzheitliches Simulationssystem für die menschliche Atmung befindet sich derzeit in der Entwicklung. Es hilft unseren Industriepartnern beim Entwerfen und frühzeitigen Testen neuer Beatmungsalgorithmen.“

(rwe)

Lübecker Laserzentrum als Entwicklungspartner für Medizintechnik-Unternehmen

Optische Technologien und Laser sind aus der modernen Biomedizintechnik nicht mehr wegzudenken und werden für unterschiedlichste Aufgaben eingesetzt. Mess- und Bildgebungstechniken, aber auch optische Prozesskontrolle sind hochaktuelle Themen. Das Medizinische Laserzentrum Lübeck GmbH (MLL) als gemeinnützige Entwicklungsgesellschaft auf dem Hochschulcampus arbeitet auf diesem Gebiet seit nunmehr fast 30 Jahren. Die Laserexperten sind in vielen öffentlich geförderten Forschungs­projekten und im Auftrag von Medizintechnik-Herstellern engagiert, aktuell auch im Projekt „Industrie-in-Klinik-Plattform Lübeck“.

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MLL-Geschäftsführer Dr. Ralf Brinkmann (links) und Doktorand Christian Buj forschen und entwickeln an Lasertechnologien.

Geschäftsführer Doktor Ralf Brinkmann bezeichnet sich und sein Team gern als „Biophotonik“-Experten. Das Wort setzt sich aus den altgriechischen Bestandteilen „Bio(s)“ für „Leben“ und „Photos“ für „Licht“ zusammen. „Wir bieten den Herstellern und unseren Partnern eine breite und tiefe Expertise in Sachen biomedizinischer Anwendungen von Optik und Lasertechnologie und richten dabei unseren Blick stets auf konkrete Anwendungen in der klinischen Praxis, in biologischen Laboren oder für die Fertigung von Produkten“, erläutert der Physiker. Darüber hinaus habe das 1986 an der damaligen Medizinischen Universität gegründete Laserzentrum auch Know-how und Erfahrung in der Mikromaterial­bearbeitung mit Lasern und im normenkonformen Funktionsmusterbau aufzuweisen. „In diesen und angrenzenden Bereichen sind wir gefragte Entwicklungs- und Erprobungspartner für Unternehmen“, fasst Brinkmann zusammen.

Ein Arbeitsschwerpunkt des Laserzentrums und des eng kooperierenden Instituts für Biomedizinische Optik (BMO) der Universität zu Lübeck liegt im Bereich der Optischen Kohärenztomografie (OCT), eines neuen bildgebenden Verfahrens. Die OCT wird häufig auch als „Ultraschalluntersuchung mit Licht“ bezeichnet, da sie durch Auswertung von Lichtechos feinste Gewebestrukturen in Schnitt- und Volumenbildern darstellen kann. „Obwohl man mit Licht aufgrund der starken Gewebestreuung normalerweise nur die Oberfläche sieht, kann man mit dieser Technik bis zu zwei Millimeter tief in Gewebe hineinschauen. Insbesondere zur Diagnostik der Netzhaut am Augenhintergrund ist die OCT alternativlos und hat sich zu einem Standardverfahren entwickelt, das mittlerweile in fast allen augenärztlichen Praxen zu finden ist“, erklärt Brinkmann.

Zukünftig könne man mit neuer Hochgeschwindigkeits-OCT, wie sie in der BMO-Arbeitsgruppe von Professor Robert Huber entwickelt wird, Gewebe dreidimensional mit sogenannter „Videorate“ darstellen. Die Bilder können so zum Beispiel während einer Operation in das Mikroskop des Arztes eingespiegelt werden und ihm in Echtzeit Blicke in das Innere des Gewebes vermitteln. Die andere BMO-Arbeitsgruppe von Dr. Gereon Hüttmann konnte aktuell die Ausbreitung des Pulsschlages an Gefäßen im Auge beobachten. So lassen sich altersbedingte Verände­rungen der Gefäßsteifigkeit messen, die wichtige Rückschlüsse auf das gesamte Herz-Kreislauf-System zulassen.

Insgesamt sieht Brinkmann vielfältige Anwendungsmöglichkeiten der OCT auch in industrieller Fertigung und optischer Prozesskontrolle. Die Entwicklungswerkstatt MLL arbeitet für verschiedene Hersteller auch an äußerst präziser Mikromaterialbearbeitung. So werden Mikrolöcher in Diffusionsmembranen geschossen und dünnste Glasträger im Glasinneren berührungslos markiert, sodass sie unabhängig von weiterer Verarbeitung der aufliegenden Präparate unverwechselbar markiert sind. „Dieses senkt Fehlerraten und Kosten in der medizinischen Labordiagnostik“, erläutert Brinkmann.

Ein weiteres vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördertes Projekt, das am MLL unter Beteiligung zweier Lübecker Unternehmen und des Forschungszentrums Borstel gerade begonnen wurde, befasst sich mit der Atemgasanalyse. Die zusammengeführten Technologien von Laserspektroskopie und Photoakustik sollen hier geringste Mengen charakteristischer Moleküle, die auf Lungenkrebs schließen lassen, im Atemgas nachweisen. Sollte die Methodik erfolgreich sein, könnte eine einfache, den Patienten nicht belastende Atemgasanalyse als Screening zur Krebsfrüherkennung Realität werden. „Bis dahin“, so Ralf Brinkmann, „wird jedoch noch viel Wasser die Trave hinabfließen. Wir sind aber optimistisch, dass wir in unserem Forschungsverbund die Grundlagen für dieses hochhängende Ziel legen können.“

Info: www.mll-luebeck.de