Archiv für den Monat: Oktober 2013

Mehr Durchblick für Operateure: Ein neues Bildgebungssystem aus Lübeck geht an den Weltmarkt für Medizintechnik.

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Eva Lankenau und Marc Krug mit der iOCT-Kamera

Ein bekannter amerikanischer Augenchirurg hat es schon ausprobiert – und ist begeistert. Der filmische Zusammenschnitt des Fachvortrags von Michael Snyder vom Cincinnati Eye Institute auf einer internationalen Fachmesse zeigt eindringlich, wie er mithilfe einer neuen Kamera-Technik aus Lübeck ernste Schwierigkeiten während einer anspruchsvollen Operation am Auge bewältigt. (Der Film folgt unter diesem Beitrag zum Anklicken.)

Die kleine Lübecker Firma OptoMedical Technologies mit Sitz im TZL-Gebäude MFC 1  auf dem Hochschulcampus hat in den letzten Jahren die hier eingesetzte Kamera mit der sogenannten „iOCT“-Technologie entwickelt und gebaut. Die Abkürzung steht für „intraoperative Optische Kohärenztomographie“. Dieses nicht-invasive, also berührungslose Bildgebungsverfahren beschreibt die Firmengründerin Eva Lankenau anschaulich als „Ultraschall mit Licht, eingesetzt während der laufenden Operation“. Das Kürzel „iOCT“ ist inzwischen sogar als Marke eingetragen und entsprechend geschützt. Die Kamera arbeitet als High-End-Zubehör zu OP-Mikroskopen, Endoskopen, Koloskopen und anderen bildgebenden chirurgischen Instrumenten.

„Mit unserer Kamera sieht zum Beispiel der Augenchirurg ergänzend und gleichzeitig zum Bild des Operationsmikroskops ein einige Millimeter tief eindringendes zweidimensionales OCT-Schnittbild mit hoher Auflösung. Er kann also sehen, was er gerade tut, auch wenn das Mikroskop – etwa nach einem Säureunfall mit Schädigung der Hornhaut – kein oder nur ein schlechtes Bild liefert, weil es optisch die trübe Hornhaut buchstäblich nicht durchdringen kann“, erklärt Lankenau. Bei Konkurrenzgeräten müssen für solche OCT-Bilder Operationsabläufe unterbrochen oder Mikroskope weggeschwenkt werden, während die neue Kamera aus Lübeck voll in den Aufbau der OP-Mikroskope integriert ist und unterbrechungsfrei „mitarbeitet“.

Das physikalisch anspruchsvolle Bauprinzip hat die Forscherin bereits 2003 erfunden, damals noch als Mitarbeiterin am Institut für Biomedizinische Optik und am Laserzentrum der Universität. Die ersten Anwendungstests in verschiedenen Operationsbereichen wie Neurochirurgie, Kinderchirurgie, Hals-Chirurgie und Augenchirurgie laufen seit 2006. Um das Gerät an den Markt zu bringen, entschied sich die promovierte Physikerin schließlich 2009, eine eigene Firma zu gründen und gewann im Folgejahr auch gleich den Uni-Gründerpreis der Sparkasse zu Lübeck. „Zum Glück gab es damals das erste Exist-Förderprogramm der Bundesregierung, in das ich mithilfe der hervorragenden Gründerberatung hier auf dem Campus durch die GründerKlinik hineingekommen bin“, erzählt die heute 48-jährige „Ausgründerin“.

Seither ist das Team bei OPMedT auf acht feste Mitarbeiter und wechselnde studentische Mitarbeiter gewachsen. Und das bereits für die Anwendung in Europa zugelassene Gerät konnte so weit weiterentwickelt und in der Größe angepasst werden, dass es heute im Prinzip mit vielen möglichen OP-Mirkoskopen in den unterschiedlichen medizinischen Disziplinen zusammenarbeiten kann. Die „universelle“ iOCT-Kamera ist sozusagen bereit für den weltweiten Markt.

Das von der Sache begeisterte Team kann vor Ort in Lübeck Kleinserien von acht bis zehn Stück herstellen. „Das reicht für die interessierten forschenden Ärzte, die wir zunächst als Kunden adressieren, bisher auch aus“, berichtet Mit-Geschäftsführer Marc Krug. „Jetzt geht es um Etablierung des Systems am Markt, größere Stückzahlen kommen später dran“, ergänzt Lankenau.

Seit kurzem ist auch die weltweit agierende Haag-Streit-Holding mit Sitz in der Schweiz im Gesellschafter-Boot der GmbH. „Damit bekommen wir nun auch einen verlässlichen Vertriebspartner, mit dem wir diese echte Innovation sicher innerhalb der nächsten zwei Jahre am Markt werden platzieren können“, freut sich Eva Lankenau. – Na dann, die Freunde des Technologie-Blogs Lübeck wünschen viel Erfolg dabei.

(rwe)

Bild-Algorithmen im medizinischen Einsatz: Lübecker Forscher unterstützen Pathologen bei der Krebs-Diagnostik

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Die jungen Leute hier im TZL-Gebäude 2 auf dem Hochschulcampus haben eine Vision: Sie wollen dabei mithelfen, die Krankheit Krebs besser zu verstehen und damit besser behandelbar zu machen. Als Informatiker in  der Projektgruppe Bildregistrierung des Fraunhofer-Instituts „MEVIS“ arbeiten sie daran, mit den Mitteln moderner Bildverarbeitung eine fortschrittliche digitale Pathologie mitzuentwickeln.

Die Lübecker sind dabei in mehrere bundesweite Forschungs- und Förderprojekte eingebunden. Sie gelten in der internationalen Szene der computergestützten bildbasierten Medizin als die führenden Spezialisten für die Bildregistrierung. Das besagt vor allem: Ihre Software-Lösungen können schneller, besser und unkomplizierter als andere dafür sorgen, dass verschiedene digital vorhandene Bilddaten (etwa: Röntgenbilder, MRT-Bilder) eines Patienten (bzw. eines Körper- oder Gewebeteils) zu einem umfassenden und realistischen Gesamtbild virtuell übereinandergelegt und so genauer gelesen bzw. interpretiert werden können.

Für den Bereich der Pathologie und hier insbesondere der Histologie (also der Erforschung krankhafter Veränderungen des Körper-Gewebes) ermöglichen diese Bild-Algorithmen es, die aus einer Gewebe-Entnahme (Biopsie) vorliegenden und eingescannten Gewebe-Schnittbilder automatisch zu analysieren, sodass der Pathologe nun nicht mehr manuell unter dem Mikroskop Zellkerne zählen und klassifizieren muss. Vor allem aber können die für solche Gewebe-Schnitte typischen mechanischen Verformungen rechnerisch korrigiert werden. Bei Bedarf können auch verschiedene Färbungen verschiedener Schnitte oder Gewebearten genutzt werden, die zu einem anschaulichen, real-räumlichen Bild-Muster des kranken Gewebes zusammengesetzt werden. Das ist diagnostisch weit mehr, als es die rein subjektive Erfahrung des untersuchenden Pathologen leisten kann, so umfassend die immer sein mag.

„Der Pathologe erhält für seine Befundung einen viel tieferen und genaueren, realistischeren Eindruck von den Gewebeproben des Patienten als traditionell nur unter dem Lichtmikroskop“, erklärt Judith Berger als Sprecherin der Lübecker Projektgruppe. „Mit dieser hochauflösenden Technologie können wir zudem auch Metastasen entdecken, die noch zu klein für die Auflösung der klassischen bildgebenden Verfahren wie CT oder MRT sind.“ Langfristig, ergänzt die 28-Jährige, werde sich sogar die anspruchsvolle 3D-Rekonstruktion von Gewebe aus hunderten, am Rechner anschaulich kombinierten Schnitten durchsetzen, mit deren Hilfe man auch Wachstumsprozesse von Tumoren besser und individuell modellieren und verfolgen könne.

Warum noch nicht jetzt, wenn doch die Technologie im Prinzip vorhanden ist? – Nun, das ist wie immer eine Frage des Geldes. Bis solche Verfahren aus der Grundlagenforschung in der klinischen Praxis regelmäßig Anwendung finden, wird es wohl noch Jahrzehnte dauern. In der Lübecker Uni-Pathologie gibt es aber immerhin schon einen geeigneten hochauflösenden Scanner. Ansonsten reicht die übliche Hardware-Ausstattung an Kliniken für die Verarbeitung der anfallenden riesigen Datenmengen einfach noch nicht aus, auch wenn die Lübecker Lösungen weit weniger Rechnerleistung beanspruchen als andere.

Auch die Medizintechnik-Industrie entwickelt in diesem Bereich nur langsam praktikable Lösungen für Hard- und Software. „In den USA zeichnet sich aber in vielen Kliniken schon ein Trend zur digitalen Pathologie ab“, meint Projektleiterin Janine Olesch.  Die Lübecker Gruppe hat erste Kontakte aufgenommen zu internationalen Anbietern von Scannern und Archivierungssoftware. „Unsere Algorithmen würden da gut als Plug-in reinpassen“, so die 30-Jährige. – Nun, vielleicht geht es ja dann doch etwas schneller voran als gedacht. Patienten und Pathologen würden das sicher zu schätzen wissen.

(rwe)

Mehr Infos zum Thema Bildregistrierung auf der MEVIS-Website:
http://www.mevis-hl.fraunhofer.de